Redebeitrag bei der Hanau-Kundgebung auf dem OPlatz

Liebe Angehörige und Freund*innen von Opfern rassistischer und rechter Gewalt, liebe Betroffene, liebe solidarische Menschen,

Wir versammeln uns heute, um der Menschen zu gedenken, die ihr Leben durch den rassistischen Terroranschlag in Hanau vor 4 Jahren in der Nacht des 19.2.2020 verloren haben.
Wir erinnern Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.

Am Samstag waren wir mit den Angehörigen der Ermordeten und den Überlebenden des Anschlags zusammen in Hanau demonstrieren und überbringen viele liebe Grüße von ihnen an unsere Kundgebung hier heute in Berlin. Wir sind überwältigt von der Demo und der Kundgebung mit etwa 10 000 Menschen.
Der Schmerz der Betroffenen vergeht nicht. Und trotz allem, was sie durchmachen müssen, wandeln sie Ihre Trauer und Ihre Wut aktiv und kämpferisch um und: Sie sind unüberhörbar!

Immer wieder werden Menschen aufgrund von rassistischen, antisemitischen und anderen menschenfeindlichen Motiven ermordet. Ihren Angehörigen werden von den Behörden Informationen vorenthalten. Sie müssen kämpfen, sich gegen Diffamierungen wehren und die Aufklärung selbst in die Hand nehmen. All diese Fälle werden bestenfalls als bedauerliche Einzelfälle dargestellt.
Und wir wissen, das Problem ist:
Rassismus, Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus haben System! 

Wir haben uns mit Angehörigen, Betroffenen und Initiativen bundesweit vernetzt. Unsere zentrale Forderung ist: Wir wollen keine leeren Versprechen! Wir wollen Veränderung. Wir fordern einen respektvollen Umgang von Behörden mit den Angehörigen und Überlebenden. Dazu gehört, das Mahnmal für die Opfer des Anschlags auf die Weise und an dem Ort umzusetzen, wie sie es wünschen. Dazu gehört, den andauernden Bedrohungen durch den Vater des Täters ein Ende zu setzen. Dazu gehört ihre Wünsche in Bezug auf das Gedenken zu respektieren. Wenn Angehörige in Hanau eine Vereinnahmung des Erinnerns auf dem Friedhof von offizieller Seite ablehnen, dann ist das kein Grund beleidigt zu tun. Dann ist es Zeit, sie zu respektieren. Dazu zählt als erstes eine Verantwortungsübernahme für alle Fehler, die vor, während und nach der Tatnacht von behördlicher Seite begangen wurden. Und es ist Zeit für eine vollumfängliche Aufklärung. 

Millionen Menschen haben in den letzten Wochen aufgrund der Correctiv Recherchen zu „Remigrationsplänen“ von AfD Politiker*innen und anderen Nazis protestiert. Wir sind nicht überrascht von diesen Plänen. Auch die Tat von Hanau steht im Kontext der rassistischen Stimmungsmache in Deutschland. Und dabei macht uns die rassistische Hetze aus der Mitte der Gesellschaft die größte Angst. Gemeinsam gegen die Angst stehen wir zusammen gegen den Rechtsruck und wir organisieren uns. Gedenkorte, Mahnwachen oder Demonstrationen sind Zeichen dafür, dass die Rechnung der Täter*innen und die der Ermittlungsbehörden nicht aufgehen wird.

Wir sprechen hier als die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş. Der Mord an Burak steht in Kontinuität mit rechten rassistischen Morde und Gewalt in Deutschland. Burak wurde am 5. April 2012 in Neukölln ermordet. Burak und vier weitere junge Männer mit Migrationsgeschichte standen zufällig zusammen und hatten gemeinsam Spaß, als der Mörder vollkommen unvermittelt auf sie zukam und schoss. Burak starb an seinen Schussverletzungen. Die Tat geschah kurz nach dem Auffliegen der NSU-Morde. Und die Tat geschah in einem Kontext von Brandanschlagsserien und Drohbriefen gegen Menschen mit Migrationsgeschichte. Und es ist bekannt, dass es eine bundesweit vernetzte Nazi-Szene gibt, die bis nach Berlin-Neukölln reicht. Der Mörder von Burak wurde bis heute nicht ermittelt. Welches andere Motiv sollte denkbar sein als Rassismus? Alle anderen Motive wurden von den Ermittler:innen selbst ausgeschlossen. In wenigen Wochen, am 5.April, jährt sich der Tag der Ermordung von Burak zum 12. Mal. Gemeinsam mit euch wollen wir zusammen mit Familie Bektaş und Buraks Freund*innen Burak gedenken und für Aufklärung kämpfen. Dazu laden wir euch herzlich ein.

Seit 2022 untersucht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss den Neukölln-Komplex. Auch die Morde an Burak Bektaş und Luke Holland, der am 20.9.2015 in Neukölln von einem Nazi ermordet wurde, werden dort behandelt. Möglicherweise ab Mai oder Juni dieses Jahres. Wir beobachten und begleiten den PUA kritisch. Die Zeugenaussagen von leitenden Polizist*innen ließen teilweise erschreckend große Empathie- und Respektlosigkeit gegenüber den Opfern und Betroffenen der rassistischen und rechten Anschlagsserie in Neukölln erkennen. Bei den Befragungen verfolgen die Polizist*innen die unterschiedlichsten Strategien, um inhaltlich nichts auszusagen, dass nicht ohnehin schon bekannt ist. Wenn es brenzlig wird, können sie sich auffällig wenig erinnern. Das kennen wir bereits aus den NSU-Untersuchungsausschüssen. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu den Geschehnissen in Hanau ist abgeschlossen. Aus Sicht der Angehörigen trotz relevanter Erkenntnisse ohne Ergebnis.

Im Oktober 2023 wurde bekannt, dass seit 2020 im LKA Berlin 387 Fälle rechter, rassistischer Straftaten nicht bearbeitet wurden. Zuständig für die Bearbeitung dieser Fälle war Kommissar Alexander Hübner, der auch im Mordfall an Burak bis 2019 in leitender Funktion ermittelte. Vor diesem Hintergrund ist es kaum eine Überraschung, dass der Mord nicht aufgeklärt wurde und die Ermittlungen verschleppt wurden.
Aus den bisherigen Sitzungen des Untersuchungsausschusses wird deutlich, dass die Beantwortung von Fragen zur fehlender Aufklärung seitens der Behörden mit allen Mitteln verhindert werden soll. Daher werden wir weiterhin öffentlichen Druck dagegen aufbauen.

Unsere Gedanken sind heute bei den Angehörigen der Ermordeten und den Überlebenden in Hanau. Die offizielle Gedenkkultur ist immer ein Ausdruck des Umgangs von Politik und Gesellschaft mit dem Geschehenen. In Hanau wird von offizieller Seite versucht, das Erinnern zum Schweigen zu bringen und zu vereinnahmen. Die Wünsche und Ängste der Angehörigen und Betroffenen zählen da wenig. Noch nicht mal als Statisten sind sie bei der offiziellen Gedenkfeier mitgedacht! Sie stören und sollen Ruhe geben.

„Wer Gedenken will, soll aufklären“, entgegnen die Angehörigen der Opfer.

Wir fordern die Anerkennung der Angehörigen der Opfer und der Betroffenen als Zeugen des Geschehenen. Wir fordern Empathie und Respekt gegenüber ihrem Schmerz und dem Leid, das über sie hereingebrochen ist. Wir fordern, dass sie sich in Sicherheit fühlen können. Wir fordern Gerechtigkeit.

Niemand ist vergessen. Erinnern heißt Verändern.

Solidarische Grüße von der „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“ Berlin, 19.2.2024

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Hanau-Gedenken in Chemnitz: Polizei wirft Blumen und Kerzen weg
tagesschau / taz / migazin / stern

Mittwoch, 14. Februar 2024 – Gedenken anlässlich des Geburtstags von Burak Bektaş

Mittwoch, 14. Februar 2024 / 17:30 Uhr / Gedenkort für Burak Bektaş – Rudower Straße / Möwenweg / Berlin-Neukölln (Süd)

Am 14.2.2024 wäre Burak 34 Jahre alt geworden. An seinem Geburtstag kommen wir – Freund*innen, Familie, Unterstützende und Aktivist*innen – am Gedenkort zusammen. Wir werden Blumen niederlegen und gemeinsam Burak gedenken. Wir zeigen, dass Burak unvergessen bleibt.

Burak kann seinen Geburtstag seit dem 5. April 2012 nicht mehr feiern. Er wurde im Alter von 22 Jahren in Neukölln auf offener Straße ermordet. Der Mord an Burak Bektaş und der Mordversuch an zwei seiner Freunde sind nach wie vor nicht aufgeklärt.

Seit fast zwölf Jahren kämpfen die Familie und Freund*innen für Aufklärung und gegen das Vergessen. Seit fast zwölf Jahren fragen wir: War das Motiv Rassismus?

Lange haben wir für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gekämpft, um zu erfahren, warum der Mord und so viele extrem rechte Straftaten in Neukölln nicht aufgeklärt wurden und um den Druck in Richtung Aufklärung zu erhöhen. Seit Sommer 2022 gibt es nun diesen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die bisherigen Ergebnisse sind allerdings alles andere als zufriedenstellend:
Auffallend viele Zeug*innen aus Behörden können sich an relevante Sachverhalte „nicht erinnern“ oder es liegen keine Aussagegenehmigungen vor. Die Präsenz der AfD in dem Gremium ist eine Zumutung und ein Sicherheitsproblem für die Betroffenen. Der Mord an Burak wurde im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss bislang nicht behandelt. Wir werden die Arbeit des Ausschusses weiter beobachten und kritisch begleiten.

Zuletzt wurde öffentlich, dass im LKA Berlin 387 Fälle rechtsextremer Straftaten nicht bearbeitet wurden. Der Kommissariatsleiter, gegen den nun ermittelt wird, war auch Mordermittler im Fall Burak Bektaş.

„War das Motiv Rassismus?“ – wir werden weiter fragen, bis es Aufklärung gibt.

Remigration und Rückführungsverbesserungsgesetz

Am 18.01.2024 verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen von FDP, Grünen und SPD das „Rückführungsverbesserungsgesetz“. CDU und AfD gingen die Maßnahmen gegen Asylsuchende nicht weit genug. Was die AfD damit meint, wissen wir Dank Correctiv recht konkret, die Vertreibung von 25 Millionen Menschen aus Deutschland. Was die CDU meint nicht, aber beim Potsdamer Nazi-Treffen waren ja nur 2 Vertreter:innen der Werteunion dabei.

Netzpolitik.org zum Rückführungsverbesserungsgesetz:

Es enthält eine Reihe von Maßnahmen, die Rechtsexpert:innen als „Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremen“ und verfassungswidrig kritisieren: etwa verschärfte Abschiebehaft, Kürzungen von Leistungen von Asylbewerber:innen und weitreichende Befugnisse bei der Durchsuchung von Geflüchtetenunterkünften.

Daneben weitet das Schneller-Abschieben-Gesetz die Möglichkeiten zur digitalen Durchsuchung von Asylsuchenden aus. Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollen künftig nicht nur die Smartphones, sondern gleich auch noch Cloud-Speicher der Schutzsuchenden auslesen. Diese Erweiterungen hatte die Bundesregierung geplant, nachdem das Bundesverwaltungsgericht geurteilt hatte, dass die Datenträgerauslesungen durch das BAMF eingeschränkt werden müssen.

Wenn FDP, Grünen und SPD so mit Gerichtsentscheiden des Bundesverwaltungsgerichts umgehen, warum sollte es Nazis an der Macht nicht möglich sein, deutsche Staatsbürger:innen abzuschieben, weil sie nach Nazi-Ermessen zu undeutsch sind, ob von der „Herkunft“ her oder politisch – oder beidem… wie das neue Deutschland schrieb: Die deutsche Regierung ebnet den Weg für die extreme Rechte.

mehr Informationen:
Pro Asyl: Das neue Rückführungsgesetz bedient rechten Populismus
Sea-Watch: Rettung von Kindern aus Seenot mit Haft bedroht

17.1.2024 Kundgebung gegen die Deportationspläne der AfD!

Mittwoch, 17. Januar – 18 Uhr // Rathausstraße / rotes Rathaus // 10178 Berlin

Auf die Straße gegen die Deportationspläne der AfD!
Runder Tisch Antifaschismus Berlin

Die kürzlich veröffentlichte Correktiv-Reportage zu einem Geheimtreffen in Potsdam unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der die AfD als parlamentarischer Arm der extremen Rechten Vorbereitungen vorantreibt, um beim erhofften Zeitpunkt einer „Machtübernahme“ ganz praktisch Deportationen zu veranlassen. Ihr Vorhaben beinhaltet die Verdrängung, Ausbürgerung, Abschiebung von Migrant:innen, Deutschen mit Migrationshintergrund, und dies gemeinsam mit Unterstützer:innen und politischen Gegner:innen.

Dagegen wollen und müssen wir protestieren! Die AfD ist eine Gefahr für uns alle!

Kundgebung 12.1.2024 – 8:30 Uhr PUA Neukölln-Komplex: Aufklären & Konsequenzen

Kundgebung am Freitag, den 12. Januar 2024 um 8:30 Uhr vor dem Parlamentarische Untersuchungsausschuss „Neukölln-Komplex“: Aufklären & Konsequenzen für Täter*innen und Unterstützer*innen!
Ort:
Abgeordnetenhaus, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin

Betroffene des Neukölln-Komplexes, einer jahrlangen Neonaziterrorserie in Neukölln, die Berliner VVN-BdA, die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş und weiter solidarische Initiativen organisieren regelmäßig am Tag der Sitzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex kleine Kundgebungen vor dem Berliner Abgeordnetenhaus.
Mit unseren Kundgebungen möchten wir die Abgeordneten im PUA-Neukölln II ermuntern etwas weniger gemächlich zu ermitteln und den Ermittlungsbehörden und den Täter*innen etwas energischer auf die Pelle zu rücken – nicht mehr und nicht weniger.
Dafür ist es auch wichtig die Ausschusssitzungen zu besuchen und Öffentlichkeit herzustellen.

Am 12.1.2024 sitzen zwei ehemalige Staatschutz-Chef*innen der Berliner Polizei auf der Zeugenbank. Oliver Stepien und Jutta Porzucek

Nächste Termine:
12.1. 2024, 02.02.2024, 16.02.2024 – jeweils Freitag, Beginn des PUA um 9.00 Uhr

Worte von Burak’s Mutter Melek Bektaş

„Es sind nun über 11 Jahre her, dass Burak ermordet wurde. Wie konnte diese Person, dieser verantwortliche Kommissar, von den staatlichen Behörden all diese Jahre in dieser Position gehalten werden? Das ist nicht nachvollziehbar. Was ist das für ein System? Mit welchem Gewissen kann mir ein Staatsbeamter in die Augen schauen und sagen: „Frau Bektaş, ich verstehe Sie sehr gut, wir drehen jeden Stein bei der Untersuchung des Falles um“, wenn es keine Ergebnisse gibt? Dann bedeutet das, dass jemand dahinter steckt.
So einen Mord haben wir nicht verdient. Niemand hat einen solchen Mord verdient.“

Burak’ın annesi Melek Bektaş tan sözler:
“Nerdeyse 11 seneyi geçiyor, Burak katledileli. Bunca sene bu şahıs, bu sorumlu komiser, devlet yetkilileri tarafından, nasıl bu konumda tutuldu? Bu anlaşılır bir şey değil. Bu nasıl bir mekanizma? Hangi vicdan ile gözüme baka baka, “Bayan Bektaş sizi çok iyi anlıyorum.”, dava soruşturmasında her taşı çeviriyoruz.”, diyebiliyor bir devlet yetkilisi olarak hiçbir sonuç ortada yokken? Ozamam bunun arkasında hatırı sayılır birileri var demektir.
Böyle bir katliamı biz hak etmedik. Bunu kimse hak etmedi. ”

Wir sind erschüttert – aber nicht überrascht:

Erklärung der Burak-Initiative zum PUA Neukölln-Komplex (Berlin, den 01.12.2023):

Bei dem ehemaligen Kommissariatsleiter des Berliner Staatsschutzes, gegen den aktuell ermittelt wird, handelt es sich um den im Mordfall Burak Bektaş ermittelnden Hauptkommissar Alexander Hübner.

Polizei-Skandal-LKA Berlin
Der „Akten-Skandal“ im LKA Berlin um 364 unaufgeklärte Fälle rechtsextremer Straftaten reiche, so die Erkenntnisse aus dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex: „Entgegen erster Darstellungen im Innenausschuss gibt es in Bezug auf die nicht bearbeiteten rechten Straftaten beim Staatsschutz nun doch eine Verbindung zum Neukölln-Komplex“, so Schrader und Koçak. „Laut Presseberichten sei bestätigt, dass der Kommissariatsleiter, gegen den nun ermittelt werde, früher Mordermittler im Fall Burak Bektaş. Die Fakten kämen aber nach wie vor nur scheibchenweise ans Licht. „Deutlicher kann man die Ignoranz gegenüber Betroffenen von rechter Gewalt nicht ausdrücken.“ Die Polizei ermittele nun wegen des „Verdachts der Strafvereitelung im Amt“ gegen sich selbst – und zwar gegen den ehemaligen Leiter eines Kommissariats in der LKA-Abteilung 53 und einen weiteren Ermittler.
Der Akten-Skandal sei bereits Ende September bei einem Wechsel der Führung im Kommissariat 533 -zuständig für Ermittlungen der politisch motivierten Kriminalität/rechts- aufgeflogen. Noch am Montag wurden Bezüge zum Neukölln-Komplex verneint. Es sei das „Ergebnis der guten Arbeit des Senats und der Polizeipräsidentin“, so die Polizeisprecherin. Was für eine Ignoranz den Angehörigen und Betroffenen gegenüber. Ja, Wir sind erschüttert – aber nicht überrascht.

Die Polizei lügt. Bisher ungestraft.
Wir sagen weiterhin: Alles muss auf den Tisch. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung im Mordfall Burak Bektaş, der am 5.4.2012 ermordet wurde -und wir behaupten aus rassistischem Motiv, bis uns die Ermittlungsbehörden anderes beweisen- und all der Brandanschlagsserien und rassistischer und rechter Gewalt in Berlin-Neukölln. All das zeigt, dass eine Aufklärung im Neukölln-Komplex nur mit Druck aus der Zivilgesellschaft kommt. Die Aufklärung kommt, auch wenn scheibchenweise. Seid solidarisch mit den Angehörigen von Opfern und Betroffenen von rassistischer, rechter und antisemitischer Morde und Gewalt.
Unsere Solidarität mit Familie Bektaş!

PM: Der größte Skandal im Neukölln-Komplex: Polizei, Senat, Abgeordnete und Presse nehmen ihre demokratischen Aufgaben nicht wahr!

Pressemitteilung vom 30.11.2023

Seit Juni 2023 werden im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Neukölln-Komplexes Zeug:innen aus der Polizei befragt, unter ihnen der Leiter des LKA Berlin Christian Steiof und weitere führende Polizeibeamt:innen bis hinunter in die Polizeiabschnitte in Neukölln-Süd. Viele Polizeibeamt:innen (auch der Leiter des LKA’s) fallen durch große Respektlosigkeit gegenüber dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf, teilweise garniert mit antidemokratischen Statements:

Sie beschreiben kleine Anfragen der demokratisch gewählten Abgeordneten als Behinderung der Polizeiarbeit und illegitime Zumutung und kritische Presseberichte als Sicherheitsrisiko und persönliche Beleidigung. Sie drücken immer wieder ihre Ablehnung und ihr Misstrauen gegenüber der kritischen Öffentlichkeit aus und äußern sich völlig empathie- und respektlos gegenüber den Betroffenen der Anschlagsserie. Es fallen Bemerkungen wie die, dass die Betroffenen unter „Verfolgungswahn“ leiden würden. Damit bagatellisieren die Polizist:innen die Terrorserie.

„Wir fordern demokratische Kontrolle. Bei der Polizei ist es eigentlich schlimmer, als wir gedacht haben. Da gibt es ein Polizeistaatsdenken, wenn man sagt, die Polizei werde durch demokratische Kontrolle in ihrer Arbeit behindert. Das Nachhaken ist nicht erwünscht, und wenn wir uns diese Kontrolle wirklich weg denken, heißt das, die Polizei kann tun und lassen, was sie will. Und das ist ein Polizeistaat!“ Claudia von Gélieu, Betroffene und Beobachterin des Untersuchungsausschusses im Interview mit der Agentur für soziale Perspektiven [link].

Die Polizeizeug:innen geben nur das zu, was sowieso schon öffentlich bekannt ist. Selbst da, wo öffentliche Erkenntnisse vorliegen, werden diese mitunter offensichtlich falsch wiedergegeben. Es gibt permanent Widersprüche in den Aussagen der Polizeizeug:innen: Sie widersprechen sich untereinander, aber auch selbst in der eigenen Aussage. Immer wieder weigern sich die Polizeizeug:innen, Fragen zu beantworten. Sie benutzen Worthülsen und Floskeln wie „Es ist zwar schwer nachzuvollziehen, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern“, auch wenn es um den offiziellen Kernbereich ihrer Arbeit geht.

Zu alledem versuchen die Polizeizeug:innen den Untersuchungsausschuss zu funktionalisieren, um pauschale Forderungen nach mehr Personal und Technik zu platzieren, und werden darin von den Abgeordneten der Regierungsparteien unterstützt.

Die Abgeordneten im parlamentarischen Untersuchungsausschuss hören an statt zu vernehmen. Die Abgeordneten stellen die Fragen der Betroffenen nicht und die Polizeizeug:innen werden nicht mit den bereits im parlamentarischen Untersuchungsausschuss gemachten Aussagen der Betroffenen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und Einrichtungen konfrontiert. Auch wenn die Aussagen der Polizeizeug:innen offensichtliche Widersprüche oder andere Auffälligkeiten enthalten, haken die Abgeordneten viel zu wenig nach. Die Polizeizeug:innen werden nicht mit ihren Widersprüchen, falschen Behauptungen und Lügen konfrontiert, sie werden hierfür bisher auch nicht erneut vorgeladen. Die Möglichkeit einer Vereidigung der Polizeizeug:innen, um wahrheitsgemäße Aussagen zu erzielen, wurde noch überhaupt nicht genutzt. Das teilweise dreiste und respektlose Auftreten der Polizeibeamt:innen wird hingenommen.

Der Innensenat und die Justiz behindern die Arbeit des Untersuchungsausschusses durch verzögerte Aktenlieferung, Beschränkung der Aussagegenehmigung der Zeug:innen und Rechtsbeistände, die von der Innensenatsverwaltung gestellt werden. Des weiteren wird versucht, durch Hausdurchsuchungen und das öffentliche Bekanntwerden von Strafermittlungen gegen Polizeizeug:innen – direkt vor ihrer Aussage beim Untersuchungsausschuss! – die Polizeizeug:innen auf Linie zu bringen. Auch hiergegen wehren sich die Abgeordneten des PUA kaum.

Die Presse liefert weder Analysen noch Kommentare zu dem skandalösen Verlauf des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex. Nur wenige Pressevertreter:innen beobachten den PUA regelmäßig. Die Berichterstattung beschränkt sich auf kurze Berichte. Die Presse scheint passiv auf den nächsten großen Skandal zu warten. Dabei wird völlig versäumt, den eigentlichen Skandal, das Verhalten der Polizeizeug:innen in seiner Dramatik für das demokratische System darzustellen.

Eine kritische Reflektion der eigenen erfolglosen Ermittlungsarbeit scheint beim LKA und den Polizeieinheiten (EG RESIN, EG REX, OG REX) nicht stattzufinden. Das eigene Versagen oder die Ergebnislosigkeit bei den Ermittlungen gegen rassistische/rechte Gewalt scheint ihnen nichts auszumachen – oder noch schlimmer: Das Selbstverständnis der eigenen Arbeit in diesem Kontext besteht gar nicht darin, Ermittlungsergebnisse zu liefern. Ein Verständnis für die demokratische Gewaltenteilung scheint nicht vorhanden zu sein, bzw. es entsteht der Eindruck, die Polizeizeug:innen stellten sich vor, außerhalb dieser zu stehen: ein Staat im Staate.

Wir, die Betroffenen der Nazigewalt in Neukölln, politische Initiativen und Organisationen haben diesen Untersuchungsausschuss durch unsere beharrliche, teils jahrzehntelange Arbeit durchgesetzt. Wir sind nach wie vor nicht bereit hinzunehmen, dass nur der Mord an Luke Holland teilweise aufgeklärt wurde, alle anderen Nazigewalttaten seit über 15 Jahren hingegen nicht. Der Mord an Burak Bektaş und der vierfache Mordversuch an seinen Freunden in der Nacht des 5. April 2012 ist noch immer nicht aufgeklärt. Die Angehörigen von Burak haben keine Gewissheit und die Freunde von Burak mit ihren Angehörigen ebenso wenig.

Wir sind die Auftraggeber:innen dieses Untersuchungsausschusses! Unsere Ansprüche auf Aufklärung und Gerechtigkeit werden in diesem Ausschuss jedoch mit Füßen getreten.

Obendrein beschließt die CDU/SPD-Regierung gerade eine Ausweitung der Befugnisse der Polizei durch das neue Polizeigesetz. Mehr Waffen, mehr Befugnisse, mehr Bodycams (die durch die Polizeibeamt:innen an- und ausgeschaltet werden können, wie sie wollen) werden nicht zu mehr Sicherheit für die Bürger:innen führen, sondern das Gegenteil bewirken. Eine Polizei außerhalb der demokratischen Kontrolle ist außerhalb der Kontrolle von uns allen.

Dieses alles führt – wie am 27. November 2023 bekannt wurde – zu nicht bearbeiteten rechten Straftaten beim LKA: 3 Jahre Straflosigkeit für Nazigewalttäter in 364 Fällen mussten zugegeben werden!

Wir fordern die Presse auf, den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex kritisch medial zu begleiten!

Wir halten eine Beobachtung und Begleitung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex durch Wissenschaftler:innen und anderen Expert:innen für notwendig und fordern sie ein!

Wir rufen alle relevanten zivilrechtlichen Institutionen und Organisationen auf, sich einzubringen, und alle Expert:innen aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, den Sitzungen des PUA zum Neukölln-Komplex beizuwohnen.

Erstunterzeichner:innen:

ASP – Agentur für soziale Perspektiven e.V.

*aze (andere Zustände ermöglichen)

Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen

Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş

NSU-Watch

VVN Berlin-Neukölln

Claudia von Gélieu / Rudow empört sich

Christian von Gélieu / Galerie Olga Benario

BASTA fordert den Rücktritt der Polizeipräsidentin

9. Pressemitteilung – 28.11.2023
Zum wiederholten Male gibt es im LKA einen Skandal. „Staatsschützer ließen 364 Ermittlungen liegen..“

Im Innenausschuss sagt Frau Dr. Slowik am 27.11.2023 dazu, dass, der Grund für die nicht gemachten 364 Ermittlungen nicht politisch motiviert sei.

Verharmlosungen dieser Art kennt unsere Initiative BASTA seit Jahren. Wir hören immer wieder, es gibt keine rechten Strukturen in den Ermittlungsbehörden, alles nur Einzelfälle. Unsere gravierenden Zweifel an der Bearbeitung von Straftaten rechter Täter (auch in den Ermittlungsbehörden) werden aber immer wieder bestätigt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kümmert sich um dieses Thema – bisher mit mäßigem Erfolg. Die Befragungen der Mitarbeiter:innen der Ermittlungsbehörden helfen wenig bei der Aufklärung der bisherigen Skandale.

Welche Skandale müssen noch passieren, damit die rechten Strukturen innerhalb der Ermittlungsbehörden aufgedeckt werden?

Nach unserer Überzeugung braucht es die demokratische Kontrolle dringender denn je. Wir wollen nicht zulassen, dass das Handeln der Ermittlungsbehörden im Dunkeln bleibt. Es braucht aber auch eine Polizeipräsidentin, die das Thema nicht permanent herunterspielt. Deshalb fordern wir den Rücktritt von Frau Dr. Slowik.

Wir stehen nach wie vor jeden Donnerstag in der Zeit von 8:30 bis 9:30 vor dem LKA Tempelhofer Damm und fordern die Aufklärung der rechten Strukturen in den Berliner Ermittlungsbehörden. Bitte unterstützt uns – nur gemeinsam sind wir stark.


BASTA – wir haben genug.
Eine Gruppe von Bürger*innen setzt sich für die Aufklärung
rechter Straftaten – insbesondere in Britz / Neukölln – und für die Offenlegung rechtsextremer Strukturen in den
Ermittlungsbehörden ein.
www.basta-britz.de