Redebeitrag der Initiative für Gedenken an Mahmud Azhar

anlässlich der feierlichen Grundsteinlegung für einen Gedenkort für Burak Bektaş:

Im März 1990 erschien ein Nachruf in der Zeitschrift Interim mit dem Titel: „Wir trauern um unseren pakistanischen Freund Azhar, der letzte Woche, im Alter von 40 Jahren starb, weil er ein Ausländer war“

Mahmud Azhar war Doktorand und wissenschaftlicher Arbeiter an der Freien Uni Berlin. Am 7. Januar 1990, vier Monate vor seiner Promotion, und nicht lange nach dem Fall der Mauer, inmitten des nationalistischen Taumels in Ost- und Westdeutschland, wurde er hier in Berlin rassistisch angegriffen. Ein DDR Bürger hat ihn auf dem Campus der FU rassistisch beschimpft und bedroht. Daraufhin hat Mahmud Azhar sich in ein Gebäude der Universität geflüchtet. Dort wollte er die Polizei um Hilfe rufen. Vergeblich. Wieso auf seine zwei Anrufe niemand reagierte, ist bis heute unbeantwortet. Der deutsche Rassist schlug ihn mit einem Feuerlöscher auf den Kopf. Das endete tödlich. Am 6. März 1990, zwei Monate nach dem Angriff, erlag Mahmud Azhar seinen Verletzungen. Er schaffte es 40 Jahre alt zu werden in Deutschland.

„Wie viele Menschen müssen noch sterben, bis die Ausländerfeindlichkeit überwunden ist?“

Diese mahnende Frage steht auf der Gedenktafel für Mahmud Azhar. Von einem rassistischen Mord ist darauf jedoch nicht die Rede, schließlich, so argumentierte man im Akademischen Senat – bestehe ja, Monate vor dem Gerichtsprozess – keine Klarheit über die Tatmotive. Obwohl Mahmud Azhar den Angriff geschildtert hat, und die rassistischen Parolen, unter denen er zusammengeschlagen wurde, in Gedächtnisprotokollen von Zeug*innen dokumentiert wurden.

Diese Gedenktafel ist im Gebäude seines ehemaligen Instituts für Biochemie der FU Berlin Lichterfelde. Da ist mittlerweile ein Marketingfirma. Die Gedenktafel ist im Gebäudeinneren. Von außen ist nichts sichtbar. Mit dem Verkauf des Institutsgebäudes wurde sich so auch des rassistischen Mordes entledigt.
An Mahmud Azhar, an seinen gewaltsamen Tod, erinnert heute nichts mehr an der FU Berlin. Es gibt keine offziellen Gedenkveranstaltungen, keine Hinweise in Publikationen und auf Webseiten der Universität, kein öffentliches Gedenken. So als hätte es diesen rassistischen Angriff, als hätte es den FU-Wissenschaftler Mahmud Azhar hier niemals gegeben. Es besteht eine unabdingbare Notwendigkeit das zu ändern und den unerträglichen Zuständen, die dieses Vergessen möglich gemacht haben, offensiv zu begegnen.

Rassistische Gewalt ist alltäglich. Auch hier. Und die FU Berlin ist Tatort dieses rassistischen Mordes. Und muss auch ein mahnender Gedenkort dafür sein.
Heute am 5. April jährt sich der Mord an Burak Bektaş. Noch immer ist der Mord an Burak Bektaş wie der versuchte vierfache Mord an seinen Freunden unaufgeklärt. Noch immer läuft der Mörder hier vielleicht frei herum. Den Ermittlungsbehörden fehlt jedes Motiv. Auch nach der Selbstenttarnung der NSU müssen Betroffene selber das Wort ergreifen und Druck ausüben. War Rassismus das Motiv? Auch wir fragen das: War Rassismus das Motiv? Fünf Jahre Ungewissheit. Immer noch keine Konsquenzen. Heute ist ein wichtiger Tag. Die Grundsteinlegung für einen Gedenkort für Burak Bektaş wird das Gedenken an den Ermorderten im öffentlichen Raum verankern. Und auch die mahnende Frage War Rassismus das Motiv? Und „Wie viele Menschen müssen noch sterben, bis der Rassismus überwunden ist?“ unermüdlich stellen.

Unsere Solidariät gilt der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş und den Angehörigen, und unser Dank für ihre unermüdliche Arbeit.

Initiative für Gedenken an Mahmud Azhar