Grussbotschaft an Familie Yozgat / Initiative 6.April

Liebe Familie Familie Yozgat, Angehörige und Freunde, Liebe Unterstützer_innen,

wir gedenken Halit Yozgat, der vor 11 Jahren gewaltsam aus seinem und Ihrem Leben gerissen wurde. Ihnen, die einen geliebten Menschen verloren haben, gilt unser tiefstes Mitgefühl. Wie in allen anderen NSU-Morden auch, setzten sofort, zu allem Schmerz, rassistische polizeiliche Ermittlungen gegen sie, die Angehörigen, ein. Für Sie, die Angehörigen war aber von Anfang an klar: Das war ein rassistischer Mord.

Nur 2 Tage zuvor war in Dortmund ein anderer Mord an einem Migranten geschehen, der Mord an Mehmet Kubaşık. Sie haben sich als Familien in Dortmund und Kassel zusammengetan und bereits 2006 demonstriert und gerufen „Kein 10. Opfer!“. Dennoch geschah der Mord an Michele Kiesewetter, einer Polizistin. Bis zum November 2011, dem Auffliegen des NSU sollten noch 6 Jahre vergehen. Sie gaben nicht auf. Auch wenn aus Opfern versucht wurde Täter zu machen. Sie haben gekämpft für die Wahrheit und um ihrer Würde wegen.

Nur einige Monate nach dem Auffliegen des NSU wurde in Berlin auf eine Gruppe von Jugendlichen migrantischer Herkunft geschossen. Burak Bektaş wurde gewaltsam aus seinem und dem Leben seiner Eltern, seinem Bruder, seiner Schwester, seiner Freunde gerissen. Er erlag seinen Verletzungen, 2 seiner Freunde überlebten schwerverletzt. Eine Konsequenz aus dem NSU-Komplex war für uns, wenn ein Migrant ermordet wird kritisch zu hinterfragen: War Rassismus das Motiv? Im Mordfall von Burak deutet alles auf eine NSU-Nachahmungstat hin. Anhaltspunkte, die auf ein rassistisches Mordmotiv weisen, werden seitens Polizei und Staatsanwaltschaft bis heute nicht gelesen. Auch ein zweiter Mord in Neukölln am 20.09.2015, der Mord an Luke Holland, einem jungen Briten, änderte nichts an der Vorgehensweise von Ermittlungsbehörden: Ein rassistisches Mordmotiv, das gibt es scheinbar nicht in Deutschland. Aber wir haben aus ihren leidvollen Erfahrungen lernen müssen: Wir haben jeden Grund den staatlichen Sicherheitsorganen zu misstrauen. Wir fordern nun nach 5 Jahren der Ungewissheit ein Neuaufrollen der Ermittlungen im Fall von Burak Bektas. Denn der Mord ist noch immer nicht aufgeklärt. Mit der Grundsteinlegung haben wir gemeinsam mit Familie Bektaş den Gedenkort Burak Bektaş umgesetzt. Familie Holland stand der Familie Bektaş zur Seite.

Wir gedenken nun in 3 aufeinander folgenden Tagen 3 Morden –Morde, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind. Wegen Verharmlosung, Aktenvernichtung, Vertuschung oder Verhinderung:

Wir gedenken Mehmet Kubaşık ermordet am 04.04.2006 in Dortmund -vom NSU. Wir gedenken Burak Bektaş, ermordet am 5.4.2012 in Berlin auf offener Straße. Und wir gedenken heute mit ihnen Halit Yozgat, ermordet am 6.4. 2006 in Kassel -vom NSU.

Sie haben unbeirrt gekämpft und sie kämpfen noch heute gegen das offenkundige Lügengebilde, dass ihnen präsentiert wird trotz besserem Wissen. In München wird bald das Urteil gesprochen werden gegen einige Wenige des sog. NSU und Unterstützer_innen. Aber kein Wort gegen die Verstrickungen von Staat und Nazis, dem NSU-Komplex, der all dies ermöglichte. Wir haben als Burak-Initiative zum Gerichtsprozess in München mobilisiert. Und wir arbeiten auch weiterhin an einer Vernetzung von Angehörigen rassistischer und rechter Morde und Betroffene von rassistischer und rechter Gewalt. Den NSU-Prozess verfolgen wir von Anfang an kritisch. Aus dem NSU-Skandal werden immer noch keine Konsequenzen gezogen, die notwendig sind. Deswegen wollen wir auch das Urteil des NSU-Prozesses neu aufrollen, mit ihnen gemeinsam, in einem Tribunal-NSU-Komplex-auflösen in Köln Mai-2017. Sie haben unglaubliches geschaffen, durch das Erzählen ihrer Geschichten. Zu einigen davon, sagte Melek Bektaş, die Mutter von Burak Bektaş: „Sie erzählen uns.“

Herzlich-solidarische Grüße
„Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektas.“