Archiv für den Monat: Mai 2025

14. Mai 2025 – Stellungnahme zum Antrag der CDU

Am 14. Mai 2025 fand ab 17:30 Uhr eine Protestkundgebung gegen den CDU-Antrag, der den 1. Bericht zur rechtsextremen Aktivitäten in Neukölln in der Versenkung verschwinden lassen sollte und die verantwortliche Bezirksstadträtin abstrafen sollte statt. 150 Menschen kamen zur Protestkundgebung. Wir konnten neben vielen anderen auch unsere Sicht der Dinge auf der Kundgebung vortragen und zu Beginn der Sitzung der BVV Neukölln an die BVV’ler:innen als Flyer verteilen.

Hier unsere Stellungnahme:
Wir haben in dem „Ersten Bericht zu rechtsextremen Aktivitäten in Neukölln“ einen Beitrag geschrieben. Wir beziehen uns darin u.a. auf unsere Beobachtungen im Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus zum Neukölln-Komplex.

Wir sind bei jeder Sitzung des PUA „Neukölln-Komplex“ anwesend. Uns ist nicht aufgefallen, dass jemals ein CDU-BVV-Neukölln Mitglied anwesend war, genauso wenig wie von den anderen Fraktionen der BVV Neukölln. Dies überrascht uns sehr, da es ja um die nicht aufgeklärten Anschläge in Neukölln geht. Deshalb sind wir nicht überrascht, dass die CDU in der BVV Neukölln unseren Artikel für inhaltlich falsch hält.

Aber danke, dass die CDU immerhin unseren Artikel und den der anderen Autor*innen gelesen hat und bekannt macht. Jetzt lesen sicherlich auch viele den Bericht, auch Dank dafür. Wir hatten schon erwartet, dass niemand den Bericht liest.

3 von 6 Punkten, die die CDU für besonders ablehnenswert hält, stammen aus unserer Feder. Dafür auch Danke.

Unser erster Satz der von der CDU kritisiert wird: „Die Abschaffung des Verfassungsschutzes muß mit Nachdruck betrieben werden. Alle Aussagen im Untersuchungsausschuss belegen, dass diese Institution keinen Beitrag zur Aufklärung des Neukölln-Komplexes geleistet hat oder je leisten wird.“
Alle Polizeibeamten haben auf Nachfrage der Abgeordneten gesagt, dass der Verfassungsschutz nicht hilfreich war bei der Aufklärung und auch nicht bei der Verhinderung der Straftaten.
Der Verfassungsschutz hat sich entlarvt, als ein Verfassungsschützer eingestand, das sie nur manchmal mehr wissen als die Antifa. Wir beharren darauf, dass der Verfassungsschutzes abgeschafft werden muss. Die dadurch freiwerdenden Millionen werden zur Förderung selbstorganisierter migrantischer und antifaschistischer Strukturen eingesetzt.

Die CDU moniert den Satz: „Daher setzt sich die Initiative für die Förderung nach radikaler Reduktion des Polizeiapperates ein.“
Dafür gibt es objektive Gründe: Ende 2019 verbreitete der Berliner Kurier Lügen über den vermeintlichen Hintergrund des Mordes an Burak Bektaş. Als Quelle hatte der Reporter angegeben, dass ihre “Informationen” von der Polizei seien. In einem Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt von Hagen, gab er als Grund dafür, dass nicht herausgefunden werden kann, wer dem Berliner Kurier mit falschen Informationen versorgt hat, da der Polizeiapperat so groß sei. Die üble Nachrede und Beschädigung des Ansehens des ermordeten Burak Bektaş blieb ungesühnt. Die Angehörigen mit ihrem durch Polizeibeamten verursachten zusätzlichen Schmerz allein.
Das bedeutet, dass die hohe Zahl von 27.208 Polizist*innen in Berlin dazu führt, das einzelne Polizisten straffrei bleiben. Wenn der Rechtsstaat nicht für alle gilt, also z.B. nicht für Polizisten, ist er grundsätzlich in Frage gestellt.

Zum dritten skandalisierten Satz: „Im Fall der Untersuchungen zum Mord an Burak stellte sich heraus, dass die Ermittlungen chaotisch, halbherzig, schlecht dokumentiert und über Jahre von der Staatsanwaltschaft unkontrolliert waren.“
Die heute zuständige Ermittlerin der Mordkommission des LKA 1 hat genau diese Informationen dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Kenntnis gegeben. Nach ihren Ausführungen haben wir verstanden, warum die Staatsanwaltschaft Berlin behauptet, dass in keinem anderen Mord in Berlin soviel Arbeit investiert wurde. Die Ermittlerin hat dargestellt, das alle Ermittlungen nochmals durchgesehen, zusammengeführt und an vielen Stellen abgeschlossen werden mussten. Und das 10 Jahre nach dem Mord an Burak Bektaş.

Für die Rückfragen der Bezirksverordneten der BVV Neukölln stehen wir genauso gerne zur Verfügung wie höchstwahrscheinlich auch die anderen Beobachter*innen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum „Neukölln-Komplex“.
Das durchschaubare Manöver der CDU, sich mit den eigentlichen Strukturen und Problemen des Bezirks nicht befassen zu wollen, läßt aber nicht erwarten, dass sie sich über den Untersuchungsausschuss informieren werden.

Wir Danken für die Möglichkeit hier unsere Sicht der Dinge darstellen zu können.

kommende Termine

Mittwoch 14. Mai 2025 – 17:30 Uhr – Kundgebung zum Rückzug des “Ersten Bericht zu rechtsextremen Aktivitäten in Neukölln” – die BVV Neukölln beginnt um 19 Uhr
Rathaus Neukölln – Karl-Marx-Straße 83, 12043 Berlin

Freitag 16. Mai 2025 – 8:30 Uhr – Kundgebung vor dem Abgeordneten Haus
9 Uhr – Beginn der Sitzung des Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex. Geladen sind 5 Zeugen u.a. der Polizist Kollmann, der trotz Verurteilung wegen einer rassistischen Gewalttat weiterhin als Polizist arbeitet
Abgeordnetenhaus von Berlin, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin

Montag 19. Mai 2025 – 19 Uhr – Vortrag der Burak-Ini „Neukölln-Komplex auflösen – das Neonazi-Problem in Neukölln“
Lunte – Stadtteil- und Infoladen, Weisestr. 53, 12049 Berlin

Stellungnahme zum Rückzug des Bericht zu rechtsextremen Aktivitäten in Neukölln

Vor etwa 5 Jahren hat uns das Bezirksamt Neukölln um einen Text über unser Engagement und der rassistischen/rechtsextremen Situation in Neukölln gebeten, wie viele andere gegen Rassismus, Antifeminismus, Homophobie, Antisemitismus, Antziganismus und gegen weitere menschenfeindliche Idiologien aktive Initiativen auch. Wir haben damals einen etwa 3 seitigen Text an das Bezirksamt geschickt, der für uns die Situation treffend beschrieb. Danach passierte nichts.
Jahre später erhielten wir eine Mail, das es jetzt doch einen Bericht zur rechtextremistischen Gewalt etc. in Neukölln geben solle und wir doch bitte unseren Text aktualisieren und kürzen sollen. Wir schrieben zurück, dass wir keine Texte für die Schublade schreiben. Uns wurde zugesichert, dass der Bericht zur rechtsextremen Situation in Neukölln tatsächlich demnächst veröffentlicht würde.
Dann wurde dieser Bericht, recht kurzfristig angekündigt, im März 2025 öffentlich vorgestellt. Die Bezirksoberen glänzten mit Abwesenheit, es gab nur wenige ausgedruckte Exemplare des Berichts. Es wirkte schon da wie eine ungewollte Pflichtübung, zu der der Bezirk Neukölln sich durch den Druck der gegen Menschenfeindlichkeit aktiven Initiativen genötigt sah.

Und jetzt das! Dieser ach so aufregende Bericht, der bereits über 5 Jahre verzögert wurde, weichgespühlt wurde und in keiner Art und Weise ernstgemeint öffentlich vom Bezirksamt vorgestellt wurde, wird nun zurückgezogen! Er sei mit dem Bezirksoberen nicht richtig abgesprochen worden. Aha! Und die CDU ist sowieso für mehr Polizei und was sonst noch? Und eine Linkenpolitikerin, die diesen weichgespühlten Bericht verfaßt hat, soll zurücktreten.

Danke Bezirksamt Neukölln, Danke CDU, Danke Hikel für die Klarstellung! Nazis welcome ist ihr Slogan.

Burak-Ini vom 8. Mai 2025

Unser Beitrag zum „Ersten Bericht zu rechtsextremen Aktivitäten in Neukölln“

„Sie werden unsere Stimmen hörbar machen, das ist unsere Hoffnung.“, so Melek Bektaş, die Mutter des ermordeten Burak Bektaş, auf dem Tribunal zum NSU Komplex im Mai 2017 in Köln

In der Nacht des 5. April 2012 wurde Burak Bektaş in Neukölln auf offener Straße kaltblütig erschossen. Burak befand sich gemeinsam mit vier Freunden auf der Rudower Straße gegenüber vom Krankenhaus Neukölln. Plötzlich kam ein weißer Mann auf die Gruppe zu, schoss auf die jungen Männer und ging weg. Zwei der Angeschossenen überlebten die lebensgefährlichen Verletzungen. Burak jedoch starb.
Ein halbes Jahr nach der „Selbstenttarnung“ des NSU lag die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Mord um eine Nachahmungstat nach dem Muster der NSU-Morde handeln könnte. Eine Konsequenz aus den Erfahrungen zum Umgang mit betroffenen Familien und Überlebenden der NSU-Morde musste daher sein, die Familie Bektaş nicht alleine zu lassen, sondern sie zu unterstützen, um ihre Stimmen hörbar werden zu lassen.
Die Demonstration im Jahr 2006 in Kassel, in der „Kein 10. Opfer“ gefordert wurde, steht zudem für das, was heute als migrantisches Wissen bezeichnet wird. Die Familien der Opfer des NSU erkannten die Verbindung schon lange, bevor alle anderen – auch wir – den NSU nach seiner „Selbstenttarnung“ wahrgenommen haben. Gehört wurden sie nicht.

Im Sommer 2012 gründete sich vor diesem Hintergrund die „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“. Ihre wichtigsten Aufgaben sind:
1. die Aufklärung des Mordes
2. das selbstbestimmte Erinnern an den Mord und die Errichtung eines Gedenkortes
3. die Vernetzung mit anderen Betroffeneninitiativen.

Aktuell konzentriert sich unsere Arbeit auf die kritische Beobachtung des 2022 auf Druck der Betroffenen eingerichteten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und die bundesweite Vernetzung der Betroffeneninitiativen.

Im Untersuchungsausschuss ist jetzt schon deutlich geworden, dass die Ermittlungsbehörden und der Verfassungsschutz keine Konsequenzen aus dem offensichtlichen Versagen in den desaströsen Ermittlungen im NSU-Komplex gezogen haben.
Es wird mit diesem Personal keine Ermittlungsergebnisse geben.

Daher setzt sich die Initiative für die Forderung nach radikaler Reduktion des Polizeiapparates ein. Es ist offensichtlich geworden, dass alle Arbeit in Bezug auf Aufklärung aller Straftaten, die zum Neukölln-Komplex gezählt werden, sinnlos war. Im Fall der Untersuchungen zum Mord an Burak stellte sich heraus, dass die Ermittlungen chaotisch, halbherzig, schlecht dokumentiert und über Jahre von der Staatsanwaltschaft unkontrolliert waren.

Die Abschaffung des Verfassungsschutzes muss mit Nachdruck vorangetrieben werden. Alle Aussagen im Untersuchungsausschuss belegen, dass diese Institution keinen Betrag zur Aufklärung des Neukölln-Komplexes geleistet hat oder je leisten wird.
Das sinnlose Sammeln von Informationen, die weder ausgewertet noch für die Verhinderung oder Aufklärung von rechtsextremen Straftaten nützlich eingesetzt werden, kann eingestellt werden.

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Nachdem der Bezirk Neukölln den Bericht zurückzog veröffentlichte die taz ihn: Bericht als PDF