Archiv für den Monat: Dezember 2024

22. Januar 2025 Veranstaltung: Wenn Antifaschist:innen Erfolg haben

Die lange verweigerte Aufklärung der Morde an Burak Bektaş (Berlin) und Samuel Yeboah (Saarland)
– Gemeinsamkeiten und Unterschiede –

Mit:
Roland Röder – Aktion 3.Welt Saar
Freddy – Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş
Moderation: Claudia von Gélieu –Rudow empört sich. Gemeinsam für Respekt und Vielfalt
Begrüßung: Markus Tervooren, VVN/BdA

Mittwoch, 22.Januar, 19 Uhr, Kinosaal Regenbogenfabrik, Lausitzer Str. 21 a, 10999 Berlin – Kreuzberg

Veranstalterinnen:
VVN / BDA Landesverband Berlin (berlin.vvn-bda.de)
Aktion 3.Welt Saar (www.a3wsaar.de)

Wie es trotz fortschreitendem Rechtsruck gelingen kann, dass rechte Gewalttaten und deren gesellschaftlichen und politischen Hintergründe, Versäumnisse und Verstrickungen staatlicher Behörden nicht unter den Teppich gekehrt werden können, soll am Beispiel zweier erfolgreicher antifaschistischer Initiativen vorgestellt werden.
Am 19.9.1991 wurde der Flüchtling Samuel Kofi Yeboah im saarländischen Saarlouis ermordet. Durch einen rassistischen Brandanschlag. In den 1990er Jahren gab es in dieser Region während der Regierungszeit von Oskar Lafontaine rund 20 Mord-, Bomben-, Brand- und Terroranschläge. Aufgeklärt wurde nichts. Das gewollte saarländische Staatsversagen von Polizei, Justiz und Parteien blieb bis 2020 stabil. Dann änderte sich alles und der 30 jährige penetrante Widerspruch der Aktion 3.Welt Saar, des Saarländischen Flüchtlingsrates und der Antifa Saar trug Früchte. Eine Zeugin packte aus, die Polizei ermittelte seriös, es kam zu zwei OLG Prozessen in Koblenz gegen damalige Nazis, der Landtag setzte einen Untersuchungsausschuss (UA) ein sowie einen/e Beauftragten/e gegen Rassismus. Alle bundesweiten Leitmedien (TV, Print, Audio) berichteten darüber.
Am 9.11.2011, wenige Tage nach der Selbstenttarnung des NSU, brannte das Anton-Schmaus-Haus in Berlin-Neukölln zum 2 mal nieder, nur durch Glück kamen keine Menschen zu schaden. Am 5.4.2012 wurde Burak Bektaş wenige Straßenzüge entfernt ermordet. Dieser und ein weiterer Mord gehören zum Neukölln-Komplex, einer seit mehr als zwei Jahrzehnten andauernden rechten Anschlagsserie mit mehr als 170 Straftaten. Die Initiative für die Aufklärung des Mordes Burak Bektaş ist eine der untereinander vernetzten Gruppen, die solidarisch dem rechten Terror entgegentreten und Gerechtigkeit für die Betroffenen bzw. ihre Angehörigen fordern. Wegen diesem öffentlichen Druck beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus 2022 einen UA zur Neuköllner Anschlagsserie.
Gemeinsam wollen wir diskutieren, was wir aus diesen erfolgreichen Beispielen lernen können und wie es weitergeht. Denn klar ist, kein UA, kein Gerichtsprozess ist ein institutioneller Selbstläufer, sondern braucht eine politische Begleitung von außen.

Freitag, der 13.12., der Untersuchungsausschuss „Neukölln II“: eine schöne Bescherung!

Der Weihnachtsmann kommt! Liest er den Abgeordneten die Leviten?

Kundgebung zum Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex – Freitag | 13. Dezember 2024 | 8:30 Uhr | vorm Abgeordnetenhaus Berlin

Untersuchungsausschuss „Neukölln II“, 39. Sitzung, Freitag | 13. Dezember 2024 | 9:00 – 16:00 Uhr – Abgeordnetenhaus Berlin, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin, Raum 376

Die skandalösen Versäumnisse der sogenannten Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der NeoNazi-Anschlagsserie in Neukölln – eigentlich ein klarer Fall für Knecht Ruprecht. Was sagt der Weihnachtsmann, der sich heute der Sache allein annimmt, dazu und zur Arbeit des Ausschusses, der dieses Drama untersuchen soll?

Ziehen wir Bilanz: Bereits zu Beginn des Ausschusses im Juni 2022, bei der Anhörung von Betroffenen der Anschläge und von Expertinnen von mbr, reachout und dem Berliner Register wurde deutlich, wie ungenau und mit wie wenig Sachkenntnis seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft ermittelt wurde.

Danach waren wir geplättet, mit wie viel Schönfärberei, arroganter Selbstgefälligkeit und Verantwortungsabwehr zahlreiche, teils leitende Mitglieder der Ermittlungsbehörden zu den fehlenden Ermittlungsergebnissen aussagten.

Erschreckend aber auch, wie wenig die Ausschussmitglieder dieses Verhalten engagiert hinterfragten (Ausnahmen bestätigen die Regel). Und wie die Abgeordneten viel zu wenig energisch gegenüber den Vertreter*innen des Untersuchungs- und Befragungsgegenstands auftraten – wir reden hier ja über schwere neonazistische Straftaten, Bedrohungen, Brandstiftungen und 2 Morde – ließ uns oft an der Sinnhaftigkeit des Ausschusses zweifeln.

Und ein Skandal waren und sind die fehlenden Aktenlieferungen, die die Ausschussarbeit behindern. Ein Unding, der Ausschuss muss sogar dafür kämpfen, dass er die Voraussetzungen bekommt, um seinen demokratisch bestimmten Untersuchungsauftrag erfüllen zu können.

Die letzten Wochen ging es um die Anhörung von Mitarbeitern*Innen des Verfassungsschutz. Davon bekam die Öffentlichkeit rein gar nichts mit: Geheimhaltung

So kann bei einem Untersuchungsausschuss nichts herauskommen. Aufklärung, genaue Untersuchung brauchen Zeit und Akten! Wir fordern beides und dass der UA Neukölln-Komplex nach der Wahl 26 erneut eingesetzt wird. Das Polizeiversagen darf nicht unter den parlamentarischen Teppich gekehrt werden.

Mit unseren Kundgebungen möchten wir die Abgeordneten im PUA „Neukölln II“ ermuntern, etwas weniger gemächlich zu ermitteln und den Ermittlungsbehörden und den Täter*innen energischer auf die Pelle zu rücken – nicht mehr und nicht weniger. Heute unterstützt uns der Weihnachtsmann.

Diesmal sind als Zeug*innen geladen:

  • Michael Fischer, seit Nov.2018 Leiter des Berliner Verfassungsschutz
  • sein Vorgänger Bernd Palenda (11/2012-09/2018, Senatsdirigent Palenda war zuvor für die Aufsicht über den Berliner Polizeivollzugsdienst zuständig)
  • Vorvorgängerin Claudia Schmid (01/2001-11/2012, Rücktritt nach Skandal um die Vernichtung von Akten zum Rechtsextremismus mit möglichem Bezug zur NSU)

Wir sind gespannt, was die drei zu erzählen haben.

Um 15:00 ist zum Abschluss der VS-Zeugenbefragungen eine Pressekonferenz der Abgeordneten angesetzt.

Wir sind immer da, um dem Untersuchungsausschuss auf die Finger zu schauen! Keine Nazis und Rassisten in die Parlamente und Untersuchungsausschüsse! Die AfD gehört verboten!

Amadeu António Kiowa – unvergessen!

light-me-amadeu-Eberswalde. Gedenken an Amadeu Antonio an seinem 34. Todestag am 6. Dezember 2024.

Grußbotschaft von der Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş

Wir möchten heute an der Seite der Familie, der Freund*innen und Unterstützer*innen von Amadeu Antonio gedenken. Denjenigen, die ihm besonders verbunden waren und sind, gilt unser tiefstes Mitgefühl!

Amadeu António Kiowa starb am 6. Dezember 1990, nachdem er 11 Tage zuvor von Neonazis gejagt und zusammengeschlagen wurde. Amadeu António war 28 Jahre alt. Bis heute gilt er als eines der ersten Todesopfer der extremen Rechten nach der Wiedervereinigung.

Die Wende bedeutete für viele im (wieder-) vereinten Land einen Aufbruch und einen Neuanfang. Ganz anders wird diese Zeit von Migrant*innen erlebt. Jone Munjunga, ehemaliger Kollege von Amadeu Antonio,
Mitbegründer und Vorsitzender vom Kulturverein Palanca e.V. beschreibt die Zeit mit den Worten „Nach der Wende war für uns in Eberswalde Krieg.“ Unterschiedlicher können gesellschaftliche Verhältnisse kaum beschrieben werden. Auch Antifaschist*innen wurden Ziel der Angriffe von Neonazis.

Seither sind leider viel zu viele Morde mit rechten, rassistischen Motiven geschehen. Burak wurde 6 Monate nach der Selbstenttarnung des NSU in Berlin Neukölln ermordet. Ein unbekannter weißer Täter kam auf ihn und seine Freunde zu und schoss wortlos. Burak starb, zwei seiner Freunde überlebten schwer verletzt. Der Tathergang ähnelte einer Hinrichtung. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Doch die Frage drängt sich auf: War Rassismus das Motiv?

Gemeinsam mit anderen Initiativen bundesweit fordern wir, dass die Kontinuitäten von rechten, rassistischen und antisemitischen Morden und Gewalttaten sichtbar gemacht werden. Gerade in Zeiten von sozialer Spaltung und einer wieder stark polarisierten und aufgeheizten gesellschaftlichen Situation ist es noch wichtiger zusammenzuhalten, sich zu vernetzen, gegenseitig Anteil zu nehmen und gegen das Vergessen zu kämpfen.

Für eine gelebte Solidarität. Und für eine Gesellschaft ohne rechte Meinungsmache, rassistische Hetze, rechte und faschistische Gewalt.

Oder mit euren Worten: „Light me, Amadeu“.

Pressemitteilung: Kundgebung „Den rechten Terror stoppen. Neukölln-Komplex aufklären! Täter zur Rechenschaft ziehen!“

Am 12. Dezember findet ab 15 Uhr vor dem Landgericht Berlin die Kundgebung „Den rechten Terror stoppen! Neukölln-Komplex aufklären! Täter zur Rechenschaft ziehen!“ statt. In einem seit September 2024 am Landgericht laufenden Berufungsprozess werden an diesem Tag die Plädoyers gehalten und wahrscheinlich das Urteil gesprochen gegen zwei der Hauptverdächtigen der extrem rechten Straftaten-Serie in Neukölln (Neukölln-Komplex).

Es handelt sich um den Berufungsprozess gegen die hauptverdächtigen Neonazis Sebastian T. und Tilo P. Ihnen wird vorgeworfen, Brandanschläge verübt zu haben. Darüber hinaus sind beide der extrem rechten Propaganda und Sachbeschädigung beschuldigt. In erster Instanz waren sie vom Vorwurf der Brandstiftung frei gesprochen worden. Die Sicherheitsbehörden konnten trotz etlicher Überwachungsmaßnahmen kaum Beweise vorlegen, was sich größtenteils auf den fehlenden Ermittlungswillen zu Beginn der Serie und weitere Verfehlungen zurückführen lässt.

Der Neukölln-Komplex reicht noch viel weiter als das, was vor Gericht verhandelt wird. Es fanden auch die zwei Morde an Burak Bektaş und Luke Holland zur Hochphase der Serie in Neukölln statt, deren Motivation als rassistisch/extrem rechts zu begreifen ist. Zudem umfasst die Terrorserie mindestens 23 schwere Brandanschläge, mit Steinen eingeschmissene Scheiben von privaten Wohnungen und Geschäften, das Markieren von Treppenfluren und Gebäuden mit Morddrohungen und extrem rechten und verfassungsfeindliche Symbolen, körperliche Attacken und das Anfertigen von sogenannten Feindeslisten mit über 1.000 Adressen. Betroffene wurden über Jahrzehnte immer wieder angegriffen, bedroht und ausspioniert. Nur ein sehr kleiner Teil davon wurde vor Gericht verhandelt. Hinzu kommen etliche Skandale innerhalb der Sicherheitsbehörden.

Das Vertrauen der Betroffenen haben die Sicherheitsbehörden schon lange verspielt. So sagte der von einem Anschlag betroffene Ferat Koçak während des Prozesses, dass er nur verlieren könne, egal wie das Urteil lautet. Er wurde bei seiner Zeugenvernehmung in einer solch kritischen Weise befragt, als müsse er sich rechtfertigen.

Eine Täter-Opfer-Umkehr erfolgte auch während des Prozesses und medial, als der Oberstaatsanwalt Fenner als zu unrecht kritisierter, vorbildlicher Beamter dargestellt wurde, obwohl seine Verfehlungen offenkundig und seine politische Nähe mit den extrem rechten Akteuren angedeutet wurden.

In Berlin zeigt sich aktuell eine sehr aktive und erstarkende militante Neonazi-Szene, die Menschen bedroht und angreift; die genauso agiert und sich z.T. in den selben Strukturen organisiert wie die Angeklagten. Zu befürchten ist, dass der Ausgang des aktuellen Berufungsprozess die extrem rechte Szene eher motivieren als einschüchtern dürfte. Erneut wurden vor einigen Wochen die Autoreifen eines der Betroffenen zerstochen, Hinweise auf einen extrem rechten Hintergrund wurden von der Polizei wieder mal nicht ernstgenommen.

Es erstaunten von Beginn an nicht nur der späte Zeitpunkt des Prozesses, die geringe Anzahl an Vorwürfen, sondern auch, dass nur zwei Neonazis vor Gericht stehen, obwohl offensichtlich ist, dass hinter den Taten weitere Täter und Netzwerke stehen. Es bleibt rätselhaft, warum die Generalstaatsanwält*innenschaft während des Prozesses so wenig kritische Nachfragen gestellt hat, obwohl die Berufung von ihrer Initiative ausging. Parallel zum Prozess kam es zu Hausdurchsuchungen bei den Beschuldigten bezüglich weiterer Brandanschläge, was aber, so viele Jahre nach den Taten, deutlich zu spät ist. Weiterhin werden die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zurückgehalten, was selbst die Richterin beklagt.

Wir fordern die Aufklärung der extrem rechten Terrorserien und Konsequenzen für die Täter, ihre Netzwerke und ihre Helfer*innen in den Sicherheitsbehörden.

asp – Agentur für soziale Perspektiven
aze* – andere Zustände ermöglichen
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş