Archiv für den Monat: August 2020

Verbot der Hanau-Gedenkdemo durch den Bürgermeister

von gestern Abend 20:40 (19feb-hanau.org)
PM zur Absage der Demonstration

Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky hat uns eben mitgeteilt, dass die morgige Demonstration aufgrund der Entwicklungen der Corona-Zahlen von der Stadt Hanau verboten wird.

Wir bedauern diese Entscheidung, weil wir wochenlang ein Hygiene-Konzept gemeinsam mit Stadt und Ordnungsamt entwickelt haben und den erwarteten Teilnehmer*innen ein verantwortungsvolles Verhalten zugetraut hätten. Die Absage am Freitag Abend lässt uns keine rechtlichen Möglichkeiten, die Entscheidung prüfen zu lassen.

Dennoch sind wir keine Corona-Rebellen und folgen der Entscheidung. Wir werden morgen nicht gegen eine Corona-Verfügung mobilisieren. Die Mobilisierung nach Hanau ist abgesagt.

Aber morgen soll es trotzdem nicht ruhig bleiben. Wir werden morgen unsere geplante Kundgebung – das Zentrum der geplanten Veranstaltung – mit Angehörigen, Freund*innen, Jugendlichen aus Kesselstadt und Betroffenen von Rassismus und Antisemitismus durchführen. Der mögliche Rahmen wird in den nächsten Stunden mit der Stadt Hanau ausgehandelt.
Wir werden die Kundgebung streamen und das ganze Land soll sie hören. Die Initiative ruft alle dazu auf, den Stream zu verbreiten und lokal zu unterstützen.

Redebeitrag bei der Hanau-Demo am 19. August 2020

In Berlin namen am Mittwoch, ein halbes Jahr nach den rassistischen Morden in Hanau 5000 Menschen an der Gedenkdemo ab Hermannplatz, Berlin, Neukölln teil. Wir konnten einen Redebeitrag als Burak-Ini beitragen:

Wir gedenken heute Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtovi, Kaloyan Velkov, Mercedes Kierpacz, Said Nesar Hashemi, Sedat Gürbüz und Vili Viorel Păun. Sie wurden vor sechs Monaten am 19. Februar von einem Rechtsterroristen ermordet.

Wir, die Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektas, solidarisieren uns mit den Angehörigen der Opfer des rassistischen Anschlags, den Überlebenden und Unterstützer*innen. Wir teilen Eure Trauer und Eure Wut.

Uns macht so wütend, dass auch noch nach der Selbstenttarnung des NSU bei rechtem Terror immer von Einzeltätern gesprochen wird! Die Behörden verhindern damit Aufklärung und ein Aufdecken rechter Netzwerke online wie offline.. Sie bieten keinen Schutz für Menschen, auf die die Angriffe der Rechten abzielen. Das altbekannte Einzeltäternarrativ zeigte sich in Hanau und aktuell im Prozess zu den antisemitischen und rassistischen Angriffen in Halle.

Uns macht so wütend, dass Angehörige, Überlebende und Freund*innen der Ermordeten, bei den öffentlichen Gedenkfeiern ausgeschlossen werden, wenn Gedenken an rassistische Gewalt und deren Opfer keinen Platz im öffentlichen Raum findet. Als Beispiel hierzu die unerfüllten Forderungen nach Straßenumbenennungen in Berlin, Kassel und anderswo.

Uns macht so wütend,dass es nicht spätestens nach dem NSU bzw. NSU 2.0 eine öffentliche Debatte um Rassismus innerhalb der Polizei gab. Erst das Video des rassistisch motivierten Mordes an George Floyd in den USA brachte das Thema in deutsche Talkshows. Doch während Politiker*innen hierzulande strukturellen Rassismus in den Sicherheitsbehörden in den dort anerkennen, wehren sie sich gegen eine Studie zu rassistischer Polizeigewalt in Deutschland. Damit wird Rassismus jenseits des Atlantik verortet.

Uns macht so wütend, dass Buraks Bektaş‘ Mörder immer noch frei herumläuft. Burak Bektaş wurde am 5.4.2012, kurz nach der Selbstenttarnung des NSU auf offener Straße in Berlin-Neukölln erschossen. Zwei seiner Freunde überlebten dabei schwerverletzt.

Uns macht so wütend, dass der Mörder von Luke Holland zwar verurteilt worden ist, doch das Gericht kein rassistisches Mordmotiv feststellen wollte; trotz Nazi-Devotionalien, diversen manipulierten schussfähigen Waffen, Munition und Sprengstoff. Der Name des Täters, Rolf Zielesinski, tauchte zwar als Hinweis in der Akte zu Burak Bektaş auf, doch die Behörden gingen dem nicht nach.

Zurzeit erreichen uns fast täglich neue Nachrichten über rassistische Gewalttäter in den Reihen der Polizei und befangener Staatsanwälte im Neukölln-Komplex. Ihnen wird nachgesagt, dass sie die Täter wegen politischer Nähe zu den Tätern schützten. Deshalb übernimmt die Generalstaatsanwaltschaft nun die Ermittlungen in der rechten Anschlagsserie, aber nicht im Fall Burak Bektaş da er bisher nicht als rassistischer Mord behandelt wird.

Uns macht so wütend, dass ein Berliner Polizist, der aufgrund eines rassistischen Angriffs vor Gericht steht, noch immer im Dienst ist. Er ermittelte in der EG Rex zu den Neuköllner Anschlägen und war bei der Vernetzung zivilgesellschaftlicher Gruppen zugegen. In seinen Dienstzeitraum im EG Rex fallen die Morde an Burak und Luke. Wir fragen uns, wie sich seine Beteiligung auf die Ermittlungen ausgewirkt hat.

Heute hat die Sonderermittlungseinheit BAO Fokus mitgeteilt, ihren Abschlussbericht zum Monatsende zu veröffentlichen. Sie hatte den Auftrag, die Ermittlungen in der Neuköllner Anschlagsserie fortzuführen und auch Verbindungen zu den Morden an Burak Bektas und Luke Holland zu prüfen. Wir erwarten von dem Bericht konkrete Ergebnisse und die Übernahme von Verantwortung seitens der Ermittelnden.

Wir fordern weiterhin einen Untersuchungsausschuss als Konsequenz der verschleppten und ergebnislosen Ermittlungen und angesichts der neuesten Erkenntnisse.
Wir schließen uns den Forderungen der Initiative 19. Februar Hanau an und erwarten lückenlose Aufklärung, auch über staatliches Wegschauen, mögliche Verstrickungen der Behörden und fordern Unterstützung und Gerechtigkeit für die Opfer, die Überlebenden und ihre Angehörigen konkret: politische Konsequenzen gegen die Rückkehr zur Normalität.

Gegen das Vergessen, gegen rechten Terror, gegen strukturellen Rassismus, gegen Alltagsrassismus und Antisemitismus und für eine offene und solidarische Gesellschaft in der Jede*r einen Platz hat!

19.08.2020 Kein Vergessen: Hanau – Gedenkdemo in Berlin- Hermannplatz 18 Uhr

(übernommen von https://facebook.com/events/s/kein-vergessen-hanau-gedenkdem)

Sechs Monate ist es her seitdem die rassistischen Morde an neun Menschen in Hanau begangen wurden. Wir werden sie nicht vergessen: Ferhat, Fatih, Gökhan, Kaloyan, Mercedes, Vili, Nesar, Hamza und Sedat. Wie die Initiative 19. Februar Hanau schreibt (https://19feb-hanau.org/) werden auch wir nie vergessen und nie vergeben. Solange nicht lückenlos aufgeklärt wird, solange nicht endlich Konsequenzen gezogen werden und es Gerechtigkeit gibt, solange werden wir nicht aufhören zu kämpfen.

Wir schliessen uns den Forderungen der Initiative 19. Februar Hanau an und erwarten lückenlose Aufklärung, auch über staatliches Wegschauen und mögliche Verstrickungen und fordern Unterstützung und Gerechtigkeit für die Opfer, die Überlebenden und ihre Angehörigen.

Auch wir werden keine Ruhe geben. Darum lasst uns gemeinsam am 19. August demonstrieren: gegen das Vergessen, gegen rechten Terror, gegen strukturellen Rassismus, gegen Alltagsrassismus und für eine offene und solidarische Gesellschaft in der Jede*r einen Platz hat!

19.08.2020 Berlin – Hermannplatz 18 Uhr

Rechter Polizist arbeitete jahrelang in Neukölln-Ermittlungsgruppe

(übernommen von recherche030 vom 12. August 2020)

Update und Korrektur zu Stefan Kollmann – Er gehört nicht zum LKA, sondern zur ersten Neuköllner Ermittlungsgruppe „Rex“ bis 2016. In seine Dienstzeit fallen viele schwere Angriffe sowie die Morde an Burak Bektaș und Luke Holland.

Letzte Woche veröffentlichten wir Informationen zu Stefan Kollmann, einem Berliner Polizisten der aktuell wegen eines brutalen rassistischen Übergriffs vor Gericht steht. Fälschlicherweise haben wir ihn dem LKA-Dezernat 64 „Aufklärung/Operative Dienste“ zugeordnet, da er mit bekannten LKA-Beamten bei rechten Demonstrationen eingesetzt war. Ein möglicher Neukölln-Bezug war uns nicht bekannt.

In den vergangenen Tagen erreichte uns dazu eine ganze Reihe von Hinweisen. Es gab im fraglichen Zeitraum eine weitere Einheit, die nicht zum LKA gehörte, aber zeitweise ebenfalls berlinweit bei rechten Demonstrationen eingesetzt wurde: die Neuköllner Ermittlungsgruppe „Rex“, oder kurz EG Rex, die am Abschnitt 56 (jetzt 48) in Rudow angesiedelt war und 2016 aufgelöst wurde.

Stefan Kollmann gehörte mindestens ab 2008 und bis zu ihrer Auflösung zu eben jener EG Rex.

Der Fall Kollmann wirft ein neues Schlaglicht auf zwei rassistisch bzw. nationalistisch motivierte Morde in Neukölln. Dem LKA und der EG Rex wurde nach dem Mord an Burak Bektaș 2012 immer wieder vorgeworfen, Rassismus als Motiv zu ignorieren und Nazis nur oberflächlich oder überhaupt nicht als Täter in Betracht zu ziehen. Drei Jahre später wurde mit Luke Holland ein weiterer Mensch von einem Nazi ermordet. Der Täter Rolf Zielezinski ist ein Neuköllner Nazi, der zum Tatzeitpunkt 2015 bereits aktenkundig war. Einer jener Nazis also, auf die die EG Rex eigentlich angesetzt war.

Brisant ist außerdem, dass zu den Aufgaben der EG Rex auch die Netzwerkarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen im Bezirk gehörte. Kollmann und seine Kolleg*innen dürften mit unzähligen engagierten Gruppen und Personen im Süden Neuköllns bekannt gewesen sein, unter ihnen viele Betroffene von schwerer Nazigewalt. Zwischenzeitlich bestand die EG Rex aus nur drei Beamt*innen – Kollmann gehörte offenbar zu diesem Kern der Einheit.

Neben der AfD, verschiedensten LKA-Einheiten, der Staatsanwaltschaft und dem benachbarten Polizeiabschnitt 65 in Johannisthal, ist auch die frühere Neukölln-Ermittlungsgruppe und der lokale Polizeiabschnitt 48 (ehemals 56) in den Neukölln-Komplex verwickelt.

ps. Fotos von dem rechten Polizisten Stefan Kollmann findet ihr bei recherche030.

Presse: rbb 12.08.2020 – 21:51 Uhr: Rechtsextremismus-Ermittler wegen Angriffs auf Ausländer vor Gericht / 12.08.2020 tagesspiegel / 09.01.2020 taz

Gemeinsame Erklärung von Neuköllner Antifaschist:innen zum Skandal in der Berliner Staatsanwaltschaft

(übernommen von Neukölln Watch vom 10. August 2020)

Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Leiter der Staatsschutzabteilung gegenüber dem Hauptverdächtigen der Neuköllner Anschlagswelle, dem Neonazi und AfD-Funktionär Tilo P., seine Sympathie für die AfD bekundete.

Dies ist ein weiterer von vielen Gründen, nochmals mit Nachdruck einen Untersuchungsausschuss zur Nazigewalt und den vielfältigen rechten Verstrickungen der Ermittlungsbehörden zu fordern. Auch die Auflösung der Staatsschutzabteilungen muss diskutiert werden. Zu den mutmaßlichen Nazikontakten des Leiters der Staatsschutzabteilung erklären wir:

Zunächst sind wir erleichtert, dass die beiden mutmaßlich rechten Staatsanwälte nichts mehr mit dem Neukölln-Komplex zu tun haben werden. Gleichwohl sind wir erschüttert, dass neben der Polizei auch die Staatsanwaltschaft ein rechtes Problem hat. Das wenige verbliebene Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist zerstört.

Es ist Zeit dass sich ein Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus mit dem Neukölln-Komplex befasst. Nur so kann hoffentlich sichergestellt werden, dass etwaige rechte Zellen die Ermittlungen nicht mehr sabotieren können.

Der alternativ diskutierte Einsatz eines Sonderermittlers, der auf die Zuarbeit der Behörden angewiesen ist, ist keine ernsthafte Option. Die einfache Versetzung von Beamt:innen in Staatsanwaltschaft und Polizei ist lediglich ein Dokument der Hilflosigkeit.

Staatsanwaltschaft, Landeskriminalamt und Verfassungsschutz disqualifizieren sich seit Jahren in ihrer Negativbilanz gegen Neonazis und rechte Gewalt. Diesem Staatsversagen treten wir entschieden entgegen. Der neonazistischen Gewalt stellen wir unsere antifaschistische Solidarität gegenüber.

Wir sind solidarisch mit den Betroffenen von rechter Gewalt und fordern die lückenlose Aufklärung aller rassistischen und neonazistischen Taten.

Untersuchungsausschuss jetzt!

  • Basta – für Aufklärung rechter Straftaten
  • Rudow empört sich
  • Bündnis Neukölln
  • Kein Generalverdacht
  • Neukölln Watch
  • Berliner Bündnis gegen Rechts
  • Interventionistische Linke Berlin
  • Kritische Jurist*innen an der FU Berlin