Archiv für den Monat: April 2019

Stellungnahme von Initiativen, Überlebenden und Angehörigen zum Artikel im Berliner Kurier vom 8.4.2019

– bezüglich der Falschmeldungen im Fall Burak Bektaş:

Burak Bektaş wurde vor sieben Jahren am 05.04.2012 auf offener Straße von einem weißen Mann kaltblütig erschossen. Seine Freunde Jamal und Alex überlebten die Schüsse mit lebensgefährlichen Verletzungen. Die Ermittlungen der Berliner Polizei und der Berliner Staatsanwaltschaft sind nach sieben Jahren ohne Ergebnis. Der Mörder läuft möglicherweise immer noch frei herum oder wurde nicht verurteilt.
Fakt ist, dass es sich bei dem Mord an Burak und dem 4-fachen Mordversuch an seinen Freunden, NUR um ein rassistisches Mordmotiv handeln kann, da alle anderen Motive von den ermittelnden Behörden schon innerhalb der ersten Wochen nach der Tat ausgeschlossen wurden.
Der Angriff auf Burak und seine Freunde erfolgte nur wenige Monate nach der Selbstenttarnung des NSU. Da der Hinrichtungscharakter der Mordtat eine Ähnlichkeit zur NSU-Mordserie aufweist, könnte es sich ebenfalls um eine NSU-Nachahmungstat gehandelt haben. Genau wie schon beim NSU hat die Polizei wieder nichts Besseres zu tun, als das Opfer und seine Familie zu kriminalisieren und den Tätern fragwürdige Motive jenseits von Rassismus zu unterstellen.

Jahre vor dem Mord an Burak und auch danach machte Neukölln Schlagzeilen mit Drohbriefen und Brandanschlägen von Reichsbürgern und Nazis gegen Migranten – wie zuletzt bekannt wurde, sogar mit Wissen der Behörden (im Fall des Brandanschlagopfers Ferhat Kocak). Hinzu kommt die aktuelle Berichterstattung über private Treffen eines LKA-Beamten mit einem Hauptverdächtigen in der Brandanschlagsserie, der bis heute noch immer nicht zur Verantwortung gezogen wurde.

Der Berliner Kurier behauptet in seinem Artikel vom 8.4.2019 Informationen aus dem Polizeiapparat zu haben, nach denen es sich bei dem Mordfall von Burak Bektaş um eine „brutale Racheaktion für einen misslungenen Raubüberfall handeln könnte, an dem Bektaş beteiligt gewesen sein soll“, während Polizeibeamte mit rechtsextremen Tätern Absprachen treffen!

Die Mutter von Burak Bektaş ist entsetzt über die öffentlich verbreiteten haltlosen Verdächtigungen gegen ihren Sohn: „Für unsere ganze Familie ist diese Lüge eine Ungeheuerlichkeit und eine weitere schwere Verletzung. Wir erwarten von dieser Zeitung und von der Polizei, dass es eine Richtigstellung gibt.“

Wir rufen dringend dazu auf, die Stellungnahme der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş und die Forderungen nach Aufklärung und Richtigstellung durch die Familie Bektas gegenüber der Berliner Polizei und dem Berliner Kurier zu unterstützen.
Die Zustände der Berliner Polizei – vor allem in Neukölln – sind schon seit Längerem alarmierend!
Die Falschmeldungen mit Diffamierung von Burak Bektaş kommen einem erneuten Angriff gleich.

Wir teilen die Einschätzung der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş: „Sollten die Quellen des Kuriers tatsächlich in der Polizei verortet werden können, würden aus dem Polizeiapparat heraus Lügen ohne tatsächliche Anhaltspunkte bei Journalist*innen lanciert, die das Andenken Buraks beschädigen sollen.“ Trifft dies zu, werden aus dem Polizeiapparat heraus unwahre Behauptungen an Journalist*innen verbreitet, die das Andenken Buraks beschädigen sollen. In diesen Behauptungen wird Burak ein weiteres Mal vom Opfer zum Täter gemacht.

Wider besseren Wissens so etwas zu behaupten ist ein Skandal und hat nur zum Ziel, falsche Informationen in die Welt zu setzen, um eine rechte und rassistische Stimmung anzuheizen und eine Schmutz-Kampagne gegen Burak, die Familie Bektaş und alle Unterstützer_innen loszutreten.
Wir fordern die Polizei auf, diesen Vorfall aufzuklären und eine Richtigstellung zu veröffentlichen.
Ebenso fordern wir den Berliner Kurier auf, eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

Der Vorfall unterstreicht erneut die Forderung der Burak Bektaş Initiative nach einem Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Es ist aufzuklären, was in Berlin-Neukölln seit Jahren die Aufklärung von rechten/rassistischen Morden, Anschlägen und Angriffen verhindert.
Und er zeigt einmal mehr, dass der Polizeiapparat aus seinem systematischen Versagen im NSU-Komplex offenbar rein gar nichts gelernt hat. Von einer Polizei, die ihre Ermittlungen entlang rassistischer Schablonen führt, ist allem Anschein nach keine Aufklärung zu erwarten.

Wir fordern Aufklärung und Genugtuung für Burak Bektaş und seine Angehörigen.

Faruk Arslan, verlor bei dem rassistischen Brandanschlag in Mölln 1992 seine Mutter seine Mutter Bahide Arslan, seine Tochter Yeliz Arslan und seine Nichte Ayşe Yılmaz.
Ibrahim Arslan, Überlebender des rassistischen Brandanschlages von Mölln 1992, Aktivist und Botschafter für Demokratie und Toleranz
Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
Bündnis „Tag der Solidarität“ – Gedenken an die Opfer des NSU Terrors, Dortmund
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Süleyman Taşköprü, Hamburg
Initiative zum Gedenken an Ramazan Avcı, Hamburg
Initiative zum Gedenken an Semra Ertan, Hamburg
Freundeskreis im Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992, Hamburg

Pressemitteilung „Berliner LKA: Forderung nach Parlamentarischem Untersuchungsausschuss“

Die Veröffentlichungen von „Kontraste“ und „rbb24“ zu Kontakten zwischen einem LKA-Beamten und Neonazis in Berlin-Neukölln unterstreichen unsere Forderung nach einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu der Frage, was seit Jahren innerhalb der Polizei einer Aufklärung von rechten/rassistischen Anschlägen und Angriffen und dem Mord an Burak Bektaş entgegenwirkt. Wir finden diese neuen Informationen ungeheuerlich, unser Vertrauen in die Ermittlungsbehörden ist zerstört.

Bereits in einer Stellungnahme vom 11. April kritisierten wir Fake News zum Fall Burak Bektaş, die vermeintlich aus dem Polizeiapperat heraus in Medien lanciert wurden. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, würden aus dem Berliner LKA heraus nicht nur Kontakte zu Neonazis gepflegt werden, sondern auch absichtlich falsche, vermeintliche Informationen gestreut werden, um rechte und rassistische Stimmung anzuheizen. Unsere Initiative hat das Berliner LKA bereits aufgefordert, diesen Vorfall zu klären und eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

Unsere Stellungnahme vom 11. April 2019

Solidaritätsschreiben der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts

Berlin, den 12. April 2019

Liebe Familie Bektaş, liebe Freund*innen von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş, die Unterstellung, die Hintergründe für die Ermordung von Burak lägen in einer kriminellen Verwicklung, stellt erneut einen Beleg dafür dar, dass innerhalb der Berliner Verfolgungsbehörden institutioneller Rassismus nicht nur existiert, sondern auch ihr Handeln beeinflusst.
Diese im Berliner Kurier mit dem Stichwort inoffizielle Quelle versehene Polizeiaussage muss in Bezug auf ihren personellen Urheber aufgeklärt werden.
Lässt sich doch an dieser Haltung belegen, dass die vielfältigen Hinweise auf eine rassistische Mordtat weiterhin in ihrer Bedeutung nicht angemessen behandelt werden. Vielmehr wird diese Haltung geprägt von einer rassistisch geprägten Entlastung, die aus Unbescholtenen Bescholtene macht und auf diese Weise die Opfer diffamiert. Diese Haltung kennzeichnete
schon von Anfang an die Ermittlungspraxis, so dass viele Indizien, die auf einen rassistischen Tathintergrund verwiesen, vernachlässigt wurden und mittlerweile z. T. nicht mehr verwendungsfähig sind.
Der Kampf um die Aufklärung der Mordtat um Burak ist damit nicht nur ein Kampf um Gerechtigkeit, sondern auch ein Kampf gegen den tief in unserer Gesellschaft und in ihren Behörden verwurzelten Rassismus.
Gerade für letztere gilt die Schlussfolgerung, die Amnesty International bereits im Juni 2016 in ihrem Bericht „Leben in Unsicherheit – Wie Deutschland die Opfer rassistischer Gewalt im Stich lässt“ veröffentlicht hat: „ Die deutschen Strafverfolgungsbehörden haben aus ihrem Versagen beim NSU-Komplex wenig gelernt. Außerdem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass deutsche Behörden ein Problem haben: institutionellen Rassismus – also das Unvermögen, alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft“
Dies mag als schlimmer Vorwurf empfunden werden. Schlimmer empfinden wir jedoch, nichts gegen Rassismus zu tun.
Deshalb fordern wir mit euch die Einrichtung eines Berliner parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich zum einen mit den rechten Berliner Gewalttaten auseinandersetzt und zum anderen aber auch die rassistische und stigmatisierende Arbeit der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden auf individueller und insbesondere auf struktureller Ebene zum Gegenstand haben muss.
Unsere Solidarität gilt Melek Bektaş und allen die sich Burak verbunden fühlen.

I. A. der Anwohner*inneninitiative Hufeisern gegen Rechts
Jürgen Schulte

Rede von Buraks Oma

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Grussworte der Großmutter in Gedenken an Burak Bektaş – zum 7.Jahrestag seiner Ermordung:

Ich möchte nur ein Miteinander, ein Zusammensein.
Herzlich willkommen an euch alle.

Jedes Mal sind Sie mit uns sind, Gott sei Dank.
Wir kamen alle von Adam und Eva auf diese Welt.
Wir wollen zusammen leben, wir wollen zusammen sein.
Wir wollen keine Kämpfe, keine Kriege.
Gott behüte, wir wollen nicht, dass heute es unser Kind trifft, morgen das Kind von Anderen getötet wird.
Ich möchte DAS nur sagen.
Gott segne euch alle. Einen gesegneten Tag euch.
Gott segne dich.

—-

Burak Bektaş´ın katlının 7.Yılında – Anısına Babaannesinin sözleri:

Ben birlik beraberlik istiyorum sadece.
Hepinize hoşgeldiniz diyorum.
Her seferinde bizim ile birliktesiniz, allah razı olsu hepinizden.
Biz Adem ile Havva dan geldik dünyaya.
Birlik yaşamak istiyoruz, beraber olmak istiyoruz hepimizle.
Kavgaları, şavasları istemiyoruz. Allah korusun bügün bizimki yarın başkasının çocukları ölmesin istiyoruz.
Sadece bunu demek istiyorum
Hepinizden allah razı olsun, hayırlı günler size.
Allah razı olsun.

Rede eines Freundes von Burak

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Rede eines der jungen Männer, die jungen Leute, die sehr stark unter Druck standen damals:

„Ich begrüße euch auch herzlich, dass ihr zahlreich erschienen seid, so wie jedes Jahr. Es sind jetzt 7 Jahre her und wir sind immer noch auf der Suche nach dem Täter. Die Gefühle der Familie sind sehr sehr sehr sehr schwer zu beschreiben. Es ist eine Mischung aus Angst, eine Mischung aus Enttäuschung, eine Mischung aus Wut.
Und wir hoffen, dass der Täter endlich mal gefasst ist und wir Klarheit haben.
Vielen Dank, dass Sie uns unterstützen, unermüdlich unterstützen.
Wir werden diese Veranstaltung jedes Jahr machen bis der Täter gefasst ist und bis eine Gerechtigkeit zu sehen ist. Dankeschön.“

Rede eines der jungen Männer, die jungen Leute, die damals zusammengehalten haben in den ersten Monaten der Ermordung von Burak, die sehr stark unter Druck standen.
Sie mussten auch Angst haben, dass die Medien nur auf das Bild von Aggressiven Migranten warteten. Sie haben damals sehr besonnen und entschieden sich zusammengetan als Freunde von Burak und sind die Ersten Schritte gegangen um Öffentlichkeit zu schaffen zur Aufklärung des Mordes von Burak.

Rede der Burak-Initiative

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Rede zu den Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş

Aufklärung

Sieben Jahre sind seit dem Tod von Burak und dem Mordanschlag auf seine Freunde vergangen – sieben Jahre ohne befriedigende Ermittlungen – sieben Jahre ohne Ergebnis! In den letzten Jahren haben wir als Initiative immer wieder gesagt, dass die Ermittlungen im Fall nicht engagiert und nicht mit ernsthaftem Interesse erfolgen.

Insbesondere ist nur unzureichend oder alibimäßig gegen Rechts ermittelt worden. Wir haben von unserer Seite immer wieder mögliche rechte Verbindungen zum Mord thematisiert und mögliche Ausgangspunkte für Ermittlungen gegen Rechts benannt.
– Der Mord an Burak geschah ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds NSU. Nicht zuletzt wegen Ähnlichkeiten im Tathergang stand von Anfang an die Möglichkeit im Raum, dass es eine Nachfolge- oder Nachahmungstat gewesen sein könnte.
– Es gab Nazis, die am Abend vor dem Mord an Burak am Rande einer Antifa-Veranstaltung im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt auffielen. Sie erhielten dort in der Nähe Platzverweise von der Polizei und waren im Süden Neuköllns weiter unterwegs.
– Am Abend vor dem Mord an Burak war das jährliche Baumblütenfest in Britz eröffnet worden. Das Baumblütenfest war in den Jahren davor immer wieder Ausgangspunkt von rassistischen Hetzjagden und anderen Vorfällen in Südneukölln gewesen – u.a. war bei einem gewaltsamen rassistischen Angriff auch schon Tilo Paulenz beteiligt.
– Burak wurde am 20. Todestag des Nazifunktionärs Gerhard Kaindl ermordet, der in einer Auseinandersetzung mit Antifaschisten in Kreuzberg umgekommen war. Zum 19. und 20. Todestag hatte es vermehrt Racheaufrufe aus dem Umfeld der NPD und anderer Nazis gegeben.
– Zwischen Februar und Juni 2012 wurde ein 8-seitiger Reichsbürger-Drohbrief auch in Neukölln verbreitet – darin wurde Schwarzen, Migrant*innen, Muslim*innen und Jüd*innen offen mit Mord gedroht.
– Nazis der NPD und von Kameradschaften gedachten mehrmals vor dem Neuköllner Krankenhaus Jürgen Rieger, einem führenden Nazikader, der dort 2009 an einem Herzinfarkt gestorben war. Das geschah in unmittelbarer Nähe des Tatorts des Mordes an Burak. Rede der Burak-Initiative weiterlesen