04.04.2017 Grussbotschaft an FAMILIE KUBAŞIK und die Initiative „TAG DER SOLIDARITÄT“ (Dortmund)

Liebe Familie Familie Kubaşık, Angehörige und Freunde, Liebe Unterstützer_innen,
wir gedenken mit ihnen zusammen -heute- Mehmet Kubaşık, der vor 11 Jahren ermordet wurde. Ihnen, die einen geliebten Menschen gewaltsam verloren haben, gilt unser tiefstes Mitgefühl. Ihrem Verlust folgten schmerzvolle und einsame Monate und Jahre. Eine Zeit der Verunsicherung und der Angst. Für Sie, die Angehörigen, war von Anfang an klar: Das war ein rassistischer Mord. Denn alles deutete darauf. Doch wie in allen anderen NSU-Morden setzten sofort rassistische Polizeiermittlungen ein. Eine Verstrickung von staatlichen Stellen und Nazi-Strukturen wirkte über Politik bis Medien. Die Folge des strukturellen Rassismus war, sie wurden alleingelassen. Auch wir standen damals nicht an ihrer Seite. In einem Abstand von nur 2 Tagen erfolgte in Kassel ein weiterer Mord an einem Mann mit migrantischer Herkunft, Halit Yozgat. Sie haben sich aus Dortmund und Kassel als Familien zusammengetan und bereits 2006 mit ihren Demonstrationen „Kein 10. Opfer!“ ihr Wissen auf die Straßen getragen. Bis zum November 2011, dem Auffliegen des NSU, sollten noch 6 Jahre vergehen. Aus Opfern wurde versucht Täter zu machen. Aber Sie haben nicht aufgegeben. Sie haben gekämpft für die Wahrheit und um ihrer Würde wegen.

Nur einige Monate nach dem Auffliegen des NSU wurde in Berlin auf eine Gruppe von Jugendlichen migrantischer Herkunft geschossen. Burak Bektaş starb an seinen Verletzungen, 2 seiner Freunde überlebten schwerverletzt. Eine Konsequenz aus dem NSU-Komplex war für uns, wenn ein Migrant ermordet wird kritisch zu hinterfragen: War Rassismus das Motiv? Im Mordfall von Burak deutet alles auf eine NSU-Nachahmungstat hin. Anhaltspunkte, die auf einen rassistisches Mordmotiv weisen, werden seitens Polizei und Staatsanwaltschaft bis heute nicht gelesen. Auch ein zweiter Mord in Neukölln am 20.09.2015, der Mord an Luke Holland, einem jungen Briten, änderte nichts an der Vorgehensweise von Ermittlungsbehörden: Ein rassistisches Mordmotiv, das gibt es scheinbar nicht in Deutschland. Aber wir haben aus ihren leidvollen Erfahrungen lernen müssen: Wir haben jeden Grund den staatlichen Sicherheitsorganen zu misstrauen. Wir fordern nun nach 5 Jahren der Ungewissheit ein Neuaufrollen der Ermittlungen im Fall von Burak Bektas. Denn der Mord ist noch immer nicht aufgeklärt. Mit der Grundsteinlegung wollen wir gemeinsam mit Familie Bektaş morgen den Gedenkort Burak Bektaş begehen. Familie Holland wird der Familie Bektaş zur Seite stehen.

Wir gedenken in 3 aufeinander folgenden Tagen 3 Morden. Morde, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind, wegen Verharmlosung, Aktenvernichtung, Vertuschung oder Verhinderung:
Wir gedenken heute Mehmet Kubaşık ermordet am 04.04.2006 in Dortmund -vom NSU. Wir gedenken morgen Burak Bektaş, ermordet am 5.4.2012 in Berlin auf offener Straße. Und mit Familie Yozgat werden wir Halit Yozgat gedenken, ermordet am 6.4.2006 in Kassel -vom NSU.

In München wird bald das Urteil gesprochen werden gegen einige Wenige des sog. NSU und Unterstützer_innen, aber kein Wort gegen die Verstrickungen von Staat und Nazis, zum NSU-Komplex, der all dies ermöglichte. Wir verfolgen den NSU-Prozess von Anfang an kritisch. Wir haben als Burak-Initiative zum Gerichtsprozess in München mobilisiert und wir arbeiten an einer Vernetzung von Angehörigen rassistischer und rechter Morde und Betroffene von rassistischer und rechter Gewalt. Aus dem NSU-Skandal werden immer noch keine Konsequenzen gezogen, die notwendig sind. Wir demonstrieren unsere Solidarität nun seit mehreren Jahren -sie mit uns, wir mit ihnen – gemeinsam. Auch das Urteil des NSU-Prozess wollen wir mit ihnen neu aufrollen in einem Tribunal in Köln Mai-2017. Sie haben unglaubliches geschaffen, durch das Erzählen ihrer Geschichten. Zu einigen davon, sagte Melek Bektaş, die Mutter von Burak Bektaş, „Sie erzählen uns.“

Herzlich-solidarische Grüße
„Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.“

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