Archiv für den Monat: Februar 2015

Es nähert sich der dritte Jahrestag des Mordes an Burak B. – und was wir planen:

Noch immer gibt es keine Ermittlungsergebnisse, deshalb werden wir den politischen Druck verstärken:

Zu Buraks 25. Geburtstag versammelten sich bereits mehr als 80 Menschen am Tatort um Burak zu Gedenken und Aufklärung zu fordern.

Am 5.3.2015 werden wir gemeinsam mit der Mutter von Burak und dem Anwalt der Familie nach München zum NSU-Prozess fahren und dort eine Mahnwache mit Pressekonferenz abhalten.

Zum Jahrestag am 5.4.2015 rufen wir dazu auf, sich am Tatort zu versammeln und gemeinsam unserer Trauer und Wut Ausdruck zu verleihen.

In den Tagen nach dem Todestag werden wir eine Veranstaltung organisieren „Bilanz ziehen nach drei Jahren!“, um mit euch und geladenen Gästen über weitere Schritte zu diskutieren.

Nähere Infos folgen! Seid mit dabei und erzählt es weiter!

Audios vom Gedenken an Buraks Geburtstag am 14. Februar 2015 in Neukölln

Das Freie Senderkombinat/FSK aus Hamburg hat 2 Audios, ein kurzer Mitschnitt vom Gedenken an der Todesstelle von Burak B. und ein Interview mit Helga von Reach Out produziert: freie-radios.net

Direkt hören oder downloaden könnt ihr beide Dateien auch hier:

Am Samstag versammelten sich achtzig Personen an der informellen Gedenkstelle in der Rudower Straße 51, dem Tatort, um gemeinsam Burak zu gedenken. Zu hören sind hier die zweisprachige Ansprache der Initative und ein Trauerlied. Vorweg der eingelesene Aufruf zur Gedenkveranstaltung auf Türkisch und Deutsch. – Ansprache der Initative und ein Trauerlied:
[audio:http://www.freie-radios.net/mp3/20150218-gedenkenzu-68924.mp3] Download (8:52 min)

Kontext und Arbeit der Initiative für die Aufklärung des Mordes:
[audio:http://www.freie-radios.net/mp3/20150220-gedenkenzu-68974.mp3] Download (17:54 min)

Sa. 14. Februar 2015 – 15 Uhr: Gedenken zu Buraks Geburtstag – deutsch/türkçe

Samstag, 14. Februar 2015 // um 15:00 Uhr
gegenüber dem Krankenhaus Neukölln (Rudower Straße 51) Berlin

Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt…

Burak Bektaş wäre am 14. Februar 25 Jahre alt geworden.

Wir fordern Gerechtigkeit. Und die Aufklärung dieser Tat!


(Foto vom 15.02.2014 – zur PM)

Wir sind traurig und wir sind wütend! Das Schweigen, dass Behörden und Politik seit fast drei Jahren über den Tod von Burak legen, ist nicht länger hinnehmbar! Noch immer gibt es keinerlei Ermittlungsergebnisse. Die Berliner Polizei ist nicht in der Lage oder nicht Willens, diese Tat aufzuklären. Wir stellen fest, dass auch 3 Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU die Polizei ihre Arbeitsweise nicht wesentlich verändert hat.

Wir sind aber nicht bereit zu schweigen und wegzuschauen!
Wir sind nicht bereit hinzunehmen, dass der Mord an Burak unaufgeklärt bleibt!

Am Tag seines Geburtstag werden wir alle – Freundinnen und Freunde, Familie und Unterstützende – an die Stelle gehen, wo dieser unfassbare Mord stattgefunden hat. Wir bringen Blumen, schmücken den Baum der Gedenkstelle und werden zeigen, dass Burak unvergessen bleibt.

Wir fordern eine rückhaltlose Aufklärung!

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Asıl unutulduğunda ölür insan!

Eğer Burak öldürülmemiş olsaydı, 14 Şubat’ta 25 yaşına girecekti.

Burak için adalet için bu faili meçhul olayın acilen aydınlatılmasını istiyoruz. Çok üzgünüz ve öfkeliyiz.

Resmi dairelerin üç senedir yürüttükleri soruşturma Politikaları ve olayla ilgili sessizlikleri katlanılacak gibi değildir. Yürütülen soruşturmanın eyrine bakacak olursak, Berlin polisinin bu olayı çözecek kapasitede olmaması yada isteksiz olmasıdır. Bundan bizim çıkardığımız kesin sonuç; polisin NSU’nun kazara kendini deşifre etmesinden ancak birkaç yıl geçmiş olmasına rağmen hiç bir ders çıkarmadığı, aynı hataların tekrarlandığıdır.

Bu olay aydınlatılana kadar susmayacağız! Doğduğu günde, bu akıl almaz olayın gerçekleştiği yerde, kalbimizde Burak, aile fertleri, arkadaşları ve olayın aydınlanmasını isteyen destekleyicilerinin katılımlarıyla olay yerini süslemek, Burak’ın unutulmayacağını göstermek için buluşacağız.

Gerçek adalet tesis edilene kadar ve tüm sorumlular yargılana kadar bu davanın takipçisi olacağız.

Die Betroffenen der Keupstraße ergreifen das Wort – und werden erneut verunglimpft

Pressemitteilung des bundesweiten Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“

Kassel/München/Köln – Die Initiative „Keupstraße ist überall“ und das bundesweite Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“ weisen die jüngsten Diffamierungen durch einige MedienvertreterInnen zurück, die sich gegen Betroffene der Nagelbombe in der Kölner Keupstraße und einige NebenklägerInnen im NSU-Prozess richten. Es wird versucht, den Betroffenen des Mordanschlags das Recht abzusprechen, die rassistische Tat anzuklagen. Dieses Recht ist aber nicht verhandelbar. Wir lassen nicht zu, dass die Betroffenen des Neonazi-Terrors in Opfer erster und zweiter Klasse gespalten werden.


(Foto: Demonstration “Für eine Gesellschaft ohne Rassismus – Keupstraße ist überall”, 20.01.2015, München)

Zum Hintergrund: Am 20. Januar dieses Jahres erhoben die Betroffenen des NSU-Nagelbombenanschlages in der Kölner Keupstraße ihre Stimme. Gemeinsam mit der Initiative „Keupstraße ist überall“ und einem bundesweiten Bündnis forderten sie auf einem Aktionstag vor dem Oberlandesgericht in München die vollständige Aufklärung des NSU-Komplexes. Sie berichteten von dem terroristischen Anschlag des Neonazi-Netzwerks NSU im Jahr 2004 und von den unmittelbaren Verwüstungen und Verletzungen, die diese Bombe angerichtet hatte. Aber auch im Gericht versuchten sie als Zeugen und Zeuginnen deutlich zu machen, dass die Bombe nur der Anfang eines jahrelangen Leidenswegs war, der seine Fortsetzung in Verdächtigungen, Bespitzelungen und Verhören durch die ermittelnden Behörden nahm. Für die Polizei war es ausgemachte Sache, dass die Täter im „migrantischen Milieu“ zu finden seien. Bis zur Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 wurden die Opfer wie Täter behandelt. Sie wurden vielfältigen Unterstellungen ausgesetzt, die allesamt die Grundannahme teilten, dass die türkisch geprägte Nachbarschaft der Keupstraße eine undurchdringliche, verschworene und kriminelle Parallelwelt sei.

Der Anschlag nach dem Anschlag

Auch die Presse hat dieses Bild maßgeblich mitgestaltet und verbreitet. Prominent dabei war auch die Zeitschrift Der Spiegel, die noch im Februar 2011 unter dem Titel „Düstere Parallelwelt“ zu berichten wusste, dass man zwar immer noch nicht wisse, wer hinter der Mordserie an den neun ausländischen Gewerbetreibenden stecke, allerdings gewiss sei, dass der Täter aus dem „migrantischen Milieu“ stamme (21.2.2011). Diese Diffamierungsgeschichte war für die Betroffenen aus der Keupstraße mit dem Schrecken des Bombenanschlags untrennbar verflochten und stellte dessen Fortsetzung dar; für sie war es der Anschlag nach dem Anschlag.

Betroffene können Hinweise zur Aufklärung des NSU-Komplexes liefern

Diesem Zusammenhang wurde vom Gericht bisher keine Bedeutung zugemessen. Deswegen artikulierten die Betroffenen auf dem Aktionstag vor dem Gericht die Erfahrung von rassistischer Schikane und Drangsalierung. Sie machten auf die Verwicklung von Geheimdiensten und Neonazi-Strukturen sowie die Bedeutung von institutionellem Rassismus aufmerksam. Die Betroffenen erläuterten, dass sie nicht nur von Neonazis angegriffen, sondern auch von Behörden und Teilen der Öffentlichkeit als Problem angesehen und entsprechend attackiert wurden – teilweise bis heute. Der Aktionstag war in diesem Sinne ein voller Erfolg, weil die öffentliche Aufmerksamkeit und Anteilnahme für die leidvollen Erfahrungen der Opfer der Nagelbombe sehr hoch war. Endlich konnten die Betroffenen ihre Geschichte ungestört einer medialen Öffentlichkeit berichten, ohne unterbrochen und gemaßregelt zu werden. Es wurde deutlich, dass die Betroffenen ExpertInnen in der Einschätzung rassistischer Verhältnisse sind, und ihre jahrzehntelangen Erfahrungen Hinweise zur Aufklärung des NSU-Komplexes liefern können.

Reaktion auf das Ausbrechen aus der zugewiesenen Opferrolle

Noch während des Aktionstages und in den Tagen danach verschärfte sich allerdings der Ton des Gerichts. Viele ZeugInnen fühlten sich vom Gericht mit seinem Vorsitzenden Richter Götzl wie Angeklagte behandelt. Unwirsch versuchte er sie in Widersprüche zu verwickeln und ließ jegliche Form eines sensiblen Umgangs mit diesen zum Teil noch stark traumatisierten Menschen missen. Die ZeugInnen aus Köln, die gleichzeitig auch als NebenklägerInnen auftreten, wurden mitunter wie Verdächtige behandelt. Diesen Umgang verstehen wir als eine Reaktion auf das Ausbrechen dieser Menschen aus der ihnen zugewiesenen Rolle.

Zwei Artikel auf Spiegel Online vom 22.1. und 28.1.2015 und andere Medienberichte gingen einen Schritt weiter und kehrten in eingeübter Manier Opfer in Täter um. Erneut wurden die migrantischen Betroffenen unglaubwürdig gemacht und auf einen gesellschaftlichen Platz verwiesen, an dem sie passiv und stumm verharren sollen. Statt auf das Unrecht einzugehen, das den Opfern des Nazi-Terrors zugefügt wurde, berichtete die Spiegel-Journalistin Gisela Friedrichsen von zerstrittenen Anwälten, erfundenen Opfergeschichten und unrechtmäßiger Beteiligung verschiedener NebenklägerInnen. Damit unterstützt Der Spiegel das Störfeuer der Verteidigung von Beate Zschäpe. Am Tag nach der Veröffentlichung beantragte die Verteidigung, NebenklägerInnen aus der Keupstraße und engagierte Anwälte vom Prozess auszuschließen. Die anklagenden Betroffenen sollen in die Defensive gedrängt werden.


(Foto: Delegierte des Aktionsbündnisses “NSU-Komplex auflösen”, Halitplatz, Kassel)

Rassisten nicht in die Karten spielen

Damit führten Der Spiegel und ihn flankierende Medien eine schlechte Tradition weiter, in der Opfer von Rassismus verdächtigt und verunglimpft werden, wie es auch in der Keupstraße in den Jahren 2004 bis 2011 geschah. Statt endlich das ausgedehnte Netzwerk des NSU zu recherchieren, das sich gerade in dem Anschlag in der Kölner Keupstraße andeutet und das bis heute im Verborgenen gehalten wird, greift Der Spiegel mit Falschdarstellungen voller Ressentiments erneut die Opfer an. Er bedient weiterhin das Bild der „gefährlich Fremden“ und damit den Diskurs der Straßenrassisten von Pegida und Co. Dieses Vorgehen erfordert eine entschiedene gesellschaftliche Antwort.

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